Wien - Familienministerin Sophie Karmasin (ÖVP) und Frauenministerin Gabriele Heinisch-Hosek (SPÖ) haben am Montag eingeräumt, dass Österreich in Sachen Kinderrechte noch Handlungsbedarf hat. Die Bundesjugendvertretung forderte im Rahmen der parlamentarischen Enquete "25 Jahre UN-Kinderrechtskonvention", dass Österreich alle Kinderrechte in Verfassungsrang heben soll.

Cybermobbing und Gewalt

Nationalratspräsidentin Doris Bures (SPÖ) erinnerte daran, dass Hunderttausende Kinder in der Welt an Hunger leiden, es gebe Kinderarbeit, Kinderprostitution und Kindersoldaten. Der Großteil der jungen Österreicher lebe in einer positiven Umgebung, aber 25 Jahre nach der Ratifizierung der Konvention "sind wir nach wie vor gefordert".

Das sieht auch die Familienministerin so. Karmasin hob dabei vor allem das Thema Gewalt hervor. In Österreich sei Gewalt in der Erziehung verboten, aber 30 Prozent der Erwachsenen geben an, in ihrer Kindheit mehrmals körperliche oder psychische Gewalt erlebt zu haben - ein Wert, der "nicht zu tolerieren ist". Man müsse sich auch immer wieder mit neuen Themen wie Cybermobbing auseinandersetzen und etwa in Bezug auf Beratung und Information stärker werden. "Kinder haben nicht immer Recht, aber sie haben immer Rechte", betonte die Ministerin.

Feedback für Lehrer

"Kindern in Österreich geht's unterschiedlich gut", meinte auch Frauen- und Bildungsministerin Heinisch-Hosek. So habe nicht jedes Kind gleiche Möglichkeiten und Chancen im Bereich der Bildung. Die Regierung versuche hier auszugleichen, verwies Heinisch-Hosek auf die Investitionen in Kinderbetreuung und Ganztagsschulen.

"Innezuhalten wäre der völlig falsche Weg", Potenzial nach oben ortet die Ministerin ebenfalls beim Gewaltschutz, aber auch im Bildungssystem. Dort könne man Partizipation mehr forcieren, so sei sie ein Fan davon, dass Schüler ihren Lehrern Feedback geben können, erklärte Heinisch-Hosek. Und politische Bildung wolle sie nicht nur als Pflichtmodul, sondern auch das Unterrichtsprinzip solle so geändert werden, dass das Thema überall vorkommt.

Bundesjugendvertretung will Kinderrecht in Verfassungsrang

Österreich hat die Konvention 1992 ratifiziert. Dass 2011 aber nur sechs von rund 50 Artikeln in die Verfassung übernommen worden seien, sei "nicht wirklich nachvollziehbar", kritisierte Johanna Tradinik, Vorsitzende der Bundesjugendvertretung. Alle Rechte müssten gleichrangig in Verfassungsrang gehoben werden, außerdem müsse daran gearbeitet werden, dass sie wirklich im Leben ankommen. Denn: "Wir sind keineswegs eine Insel der Seligen." Es dürfe nicht sein, dass Kinder in Schubhaft gesteckt werden oder in Armut aufwachsen, meinte Tradinik. Kinderlärm gelte in manchen Bauordnungen noch immer als Lärmbelästigung, erinnerte Tradinik. Die Beteiligung junger Menschen dürfe nach der Enquete nicht vorbei sein.

"Österreich war einmal Musterschüler", erklärte Renate Winter vom UN-Kinderrechtsausschuss, aber "es ist schon lange her und das ist schade". In einem so reichen Land wie Österreich wäre es nämlich nicht schwer, wieder Musterschüler zu werden, ermutigte Winter. Es gäbe genug zu tun, betonte die Expertin. Im Zusammenhang mit dem Zusatzprotokoll zum Kinderhandel machte Winter etwa darauf aufmerksam, dass Handelsringe quer durch Österreich liefen. Auch erinnerte sie daran, dass Österreich jenes Zusatzprotokoll noch nicht ratifiziert hat, das Individualbeschwerdeverfahren vorsieht und damit die Möglichkeit für alle Kinder, ihre Rechte einzuklagen, wenn der innerstaatliche Rechtsweg ausgeschöpft ist.

"Es ist keine Zeit für Stillstand", findet auch die Salzburger Kinder- und Jugendanwältin Andrea Holz-Dahrenstaedt. Es bräuchte unter anderem einen Ausbau von Kinderschutzzentren, kostenlose Psycho-, Logo- und Ergotherapie für Kinder oder eine Gleichstellung unbegleiteter minderjähriger Flüchtlinge bei Leistungen der Jugendhilfe. Bei der Enquete durften sich auch Kinder und Jugendliche in Form von Reden und Debattenbeiträgen beteiligen. Die Wiener Kinder- und Jugendanwältin Monika Pinterits regte in diesem Sinne an, dass Kinder regelmäßig in eigener Sache als Experten im Parlament auftreten dürfen. (APA, 10.11.2014)