Wenn schon Armin Wolf unlängst in der ZiB 2 - wenn auch etwas holprig - einen eigenen Begriff erfand und meinte, "Neos als kürzeste Entfernung zwischen zwei Fettnäpfen" definieren zu können, dann müssen wir den Betrachtungswinkel neu justieren.

Wir Neos sind angetreten, um eine andere Art von Politik zu machen. Dass es dafür Bedarf gibt, ist in Österreich vermutlich mehrheitsfähig. Wir sprechen daher auch Themen an, die andere Parteien aufgrund des zu erwartenden medialen Echos nicht angreifen. Wer, wenn nicht die Politik, soll sich denn sonst damit befassen? Die Vogel-Strauß-Taktik in der klassischen österreichischen Variante - "Kopf in den Sand und hoffen, dass alles so bleibt oder besser wird" - bringt keine eine erfolgreiche Zukunft und ist der Grund, warum die Menschen mit den Politikern so unzufrieden sind.

Auch auf die Gefahr hin, das nächste Orchideenthema mit negativem Medienecho auf den Tisch zu bringen, nehme ich auf eine Veranstaltung der letzten Tage Bezug, über die auch im Standard berichtet wurde. Die neue Kommissarin für Justiz, Konsumentenschutz und Gleichstellung, Vera Jourová, war zum Thema "Raising awareness of gender equality across Europe" zu Gast in Wien, worüber die Austria Presse Agentur unter der Überschrift "Einzige Qualifikation Frausein?" berichtete. Das hat der Standard so übernommen und daraus entstanden im Forum zum Artikel interessanten Diskussionen.

Wir haben in unserer Parteiakademie, dem "Neos Lab", eine Studie zum Thema "Geschlechterdemokratisierung in der Politik" erarbeitet, die auch bei der Veranstaltung präsentiert wurde. Darin werden die Unterschiede in der Verbreitung von Männern und Frauen in der Politik und die wichtigsten Ursachen hierfür vorgestellt.

Es zeigt sich, dass einige Formen der Diskriminierungen unbewusst geschehen und auch auftreten können, wenn die betroffenen Personen oder Gruppen sich nicht diskriminiert fühlen. Das bedeutet, dass Frauen oftmals nicht negativ diskriminiert, sondern aufgrund von bekannten oder erwarteten Geschlechterrollen benachteiligt werden. Eine bestimmte Verhaltensweise wird - je nachdem, ob sie von einem Mann oder einer Frau an den Tag gelegt wird - unterschiedlich beurteilt. Dies gilt insbesondere auf der Führungsebene, wo Eigenschaften vorausgesetzt werden, die großteils mit "männlichen" Verhaltensweisen verbunden werden.

Auch in der Politik werden politische Kandidaten aus männlich dominierten Kreisen viel eher bevorzugt. Ein Lösungsvorschlag könnte sein, die gesuchten Kandidatenprofile in der Politik auszuweiten und dabei gezielt auch passende, stereotyp weibliche Kompetenzen zu inkludieren. So hat die Forschung auch gezeigt, dass man Frauen durchaus für politische Ämter gewinnen kann. Man(n) müsste nur ein bisschen umdenken.

Wir haben hier aber noch einen weiten Weg vor uns, und wir Neos sind ja nicht gerade ein leuchtendes Vorbild, speziell dann, wenn es um den Klub im Nationalrat geht. Dies wird uns ja von den anderen Parteien auch jetzt schon vorgehalten. Gern übersehen wird dabei aber, dass wir in anderen politischen Vertretungen (EU-Parlament, Landtagen, Gemeinderäten) auch schon mehrmals einen 100-prozentigen Frauenanteil erreicht haben - aber das nur nebenbei.

Wir stellen uns aber der Problematik und diskutieren darüber. Ich persönlich bin für eine rigorose Frauenquote, nicht weil ich sie für die beste Lösung halte, sondern weil es aktuell keine bessere Lösung gibt. Die meisten der männlichen Neos sehen das anders - und nein, wir haben dadurch nicht schon wieder "innere Gräben", die der politische Gegner überall ortet.

Die Gefahr einer Quote, die ich auch sehe und mit einigen Postern im Onlineforum des Standard teile, wird durch die Überschrift des Artikels zur Kommissarin Jourová bestätigt: Als Frau muss man sich dann den Vorwurf gefallen lassen, den Posten nur bekommen zu haben, weil man eine Frau ist. Dies impliziert dann auch immer gleich den Vorwurf mangelnder Kompetenz, und genau das ist das Problem einer Quote.

Das hat sich weder Frau Jourová noch sonst irgendeine Frau verdient, denn es wird doch niemand glauben, dass sie oder eine andere Frau in einer Führungsposition wäre, wenn die Qualifikation außer Zweifel stünde. Oder anders formuliert: Frauen, die dank einer Frauenquote in ihrer Position sind, sind dort sicher nicht öfter fehl am Platz als Männer in gewissen Führungspositionen. (Angelika Mlinar, DER STANDARD, 11.11.2014)