Verwitternde Beziehung: Kristin Scott Thomas und Daniel Auteuil in "Bevor der Winter kommt".

Foto: einhorn film

Paul ist ein arrivierter Neurochirurg, seine Frau Lucie hütet das repräsentative Heim mit Hingabe. Auch ein Enkerl ist schon da. Man hat sich mit dem Leben arrangiert, wenn man sich auch nicht mehr viel zu sagen hat. Dieses auf (Selbst-)Täuschung errichtete Idyll gerät jedoch ins Wanken, als Paul auf Lou, eine Kellnerin mit algerischen Wurzeln, trifft. Lou behauptet, vor Jahren von Paul operiert worden zu sein, und scheint eine Obsession für diesen zu entwickeln. Oder ist es eigentlich der alternde Arzt, der plötzlich von der exotischen Schönheit besessen ist?

Regisseur Philippe Claudel zieht Bevor der Winter kommt wie einen Thriller auf, bemüht sich jedoch weniger um Thrill als um das Sezieren einer verwitternden Beziehung in der Bourgeoisie. Etwas unentschlossen zwischen melancholischer Gesellschaftsstudie und Spannungsvehikel pendelnd und mit oftmals überdeutlicher Symbolik werden die Minuten immer länger, ehe der Film in ein überhastetes Finale mündet. Immerhin: Auf darstellerischer Seite vermag die Inszenierung Dank Daniel Auteuil, Kristin Scott Thomas und Leïla Bekhti voll zu überzeugen. (wall, DER STANDARD, 13.11.2014)