Asyl ist ein Menschenrecht und kein Almosen. Darin unterscheidet sich die Debatte über die Aufnahme von syrischen Flüchtlingen in den kulturell verwandten Nachbarländern Norwegen und Schweden. Sie lässt die reichen Norweger heuchlerisch erscheinen, denn sie geben sich so gerne liberal.

Schweden nahm insgesamt 40.000 syrische Flüchtlinge auf. Obwohl es immer wieder politische und mediale Diskussionen darüber gegeben hat, herrscht in der Bevölkerung nach wie vor ein Grundkonsens, dass diesen Menschen geholfen werden muss. Norwegen hingegen verpflichtete sich bis jetzt, gerade einmal für 1.000 Syrer zu sorgen. Im kommenden Jahr will das Land noch einmal 1.000 Flüchtlinge aufnehmen. Schweden stattet alle syrischen Staatsangehörigen mit einer Aufenthalts- und Arbeitserlaubnis aus.

Norwegen wies 300 wieder aus, weil sie zu krank waren. Das Argument, die Kommunen könnten sich die Gesundheitsversorgung nicht leisten, wirkt wie eine schlechte Ausrede. Welches Land, wenn nicht das reiche Norwegen, kann es sich leisten, für seelisch und körperlich verwundete Asylwerber zu zahlen?

Populistisches Zahlenspiel

Die norwegische Regierung argumentiert, dass ein Flüchtling im Land so viel kostet, wie die Unterstützung von 26 Flüchtlingen in der Krisenregion. Außerdem sei man weltweit der finanziell stärkste Geber für humanitäre Hilfe, was den Anteil am Bruttoinlandsprodukt betrifft. Das ist ein populistisches Zahlenspiel.

Denn das eine schließt das andere nicht aus. Menschen brauchen vor Ort genauso Unterstützung, wie Personen, die verfolgt werden und Schutz in Europa suchen. Zudem erreichen Hilfsgüter die Flüchtlinge auch in der Region nur bedingt. Der Libanon hat mittlerweile seine Grenzen für Flüchtlinge aus Syrien geschlossen. Die Kapazitäten des Nachbarlandes sind erschöpft. Bereits jeder vierte Einwohner des Libanon ist ein Flüchtling. Das ist der höchste Wert weltweit. Auch Hilfstransporte dürfen nur sporadisch die libanesische Grenze überqueren.

Negativer Rekord

Im kommenden Jahr erwartet Schweden 95.000 neue Flüchtlinge im Land. Das wäre die höchste Anzahl in der Geschichte des Landes. In Norwegen wird von Monat zu Monat auch ein Rekord aufgestellt - wenn auch ein negativer. Alleine im Oktober wurden 824 Menschen ausgewiesen, im September waren es 763 abgeschobene Asylwerber. Bis zum Jahreswechsel will die norwegische Regierung mindestens 7.100 Menschen abgeschoben haben.

Norwegen erinnert in seiner Haltung an einen arm geborenen Neureichen, der nie wieder hungern möchte und deshalb nur ungerne das Haus für andere öffnet. Kurz vor dem Staatsbankrott Ende der 1960er Jahre machten die Ölfunde das skandinavische Land zu einer der reichsten Nationen der Erde. Davor waren rund 800.000 Norweger in den hundert Jahren von 1825 bis 1925 vor der verheerenden wirtschaftlichen Lage in die USA geflüchtet. Das entsprach einem Drittel der damaligen Bevölkerung.

Offenbar vergisst man, dass man selbst früher auf die Hilfe anderer Nationen angewiesen war. Dass man ein Bittsteller gewesen ist. Denn nur so lässt sich erklären, warum man den vor Krieg und Not geflohenen syrischen Männern und Frauen ihr Menschenrecht auf Asyl nicht einfach zugesteht. (Bianca Blei, derStandard.at, 17.11.2014)