Ein Sommer der Liebe, der nicht ewig währt: Friedrich von Schiller (Florian Stetter) mit Herzensdamen Charlotte von Lengenfeld (Henriette Confurius) und Caroline von Beulwitz (Hannah Herzsprung).

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Wien - Die Liebe verlangt nach entschiedenen Wörtern, sie sehnt sich nach Erwiderung durch Sprache. Einen Sommer lang wechseln Friedrich von Schiller (Florian Stetter) und die Schwestern Charlotte von Lengenfeld (Henriette Confurius) und Caroline von Beulwitz (Hannah Herzsprung) Briefe aus, in denen sie ihre Gefühle füreinander offen ausformulieren. Nicht alles wird transparent, es finden sich auch Codes in der Konversation - Dreiecke, Kreise, Linien -, die nur die Eingeweihten verstehen.

Eine Geheimsprache also, über ein Begehren im Verborgenen? Nur in dem Sinn, als die Liebe hier einen singulären Wert darstellt - etwas Unbändiges, das außerhalb der gesellschaftlichen Konvention liegt und das Schutz bedarf, um keinen Schaden zu nehmen.

Dieser Sommer der Liebe, 1788 in Rudolstadt, stellt in Dominik Grafs Film "Die geliebten Schwestern" das Herz der Erzählung dar. Ob er sich genauso ereignet hat, spielt keine allzu große Rolle, denn der deutsche Filmemacher eignet sich Geschichte auf mutige, eigenständige Weise an. Es ist die erste Kinoarbeit des umtriebigen Fernsehregisseurs ("Im Angesicht des Verbrechens") seit 2006, ein Herzensprojekt, das er auch selbst verfasst (und zu dem er den Kommentar gesprochen) hat. Mehrere Fassungen sind in Umlauf, eine dreistündige Version wurde auf Festivals gezeigt, eine 140-minütige kommt nun ins Kino.

Über die klassische Kostümfilmfrage, ob Liebe in starren Verhältnissen verwelkt, geht der Film schon deshalb hinaus, weil er sie ins Aktive wendet. Er erzählt von einer rastlosen Ménage-à-trois - unter (noch heute) schwierigen Voraussetzungen: Caroline wurde aus ökonomischer Vernunft unglücklich verheiratet, für Charlotte hat man wiederum auf einen betuchteren Lebenspartner als den zwar anerkannten, aber verlumpt wirkenden Schreiberling gehofft. Ihre Utopie eines offenen Verhältnisses sieht die Etikette nicht vor. Das Liebesdreieck wird zum Ausdruck eines umfassenderen gesellschaftlichen Aufbruchs, einer revolutionären Gesinnung.

Die Dynamik, der die Liebenden unterliegen - Caroline liebt Schiller dringlicher als Charlotte -, aber auch jene durch Einflussnahme von außen, übersetzt Graf in fließende Bilder, die sich punktuell zu temperamentvollen Sequenzen steigern. Sein Rhythmus bricht, wie das Leidenschaftsthema selbst, aus Formen aus; fast abstrakt wirkt der Film bisweilen in der Montage, dann wieder uferlos oder ganz auf Details bedacht. Und manchmal scheint's, als würde Graf die Innovationen bewusst wieder herunterschrauben.

Großartig jener Moment, in dem sich Caroline und Schiller nach dem Liebesakt plötzlich in einem Spiegel ihrer selbst gewahr werden: ein Augenblick, in dem der nie abreißende Strom des Films, die Zeit selbst, stillzustehen scheint. Dass der äußere Druck das Beharrungsvermögen des Trios übersteigen wird, steht dennoch nie außer Zweifel. Graf erzählt von Figuren, deren Liebe analog zu den Umstürzen der Zeit in Ernüchterung mündet. Aber das Moderne daran, die Idee eines freieren Austauschs, setzt sich wie die neuen Kommunikationsmittel - das gedruckte Wort - unaufhaltsam durch. (Dominik Kamalzadeh, DER STANDARD, 15.11.2014)