Anhand von zahlreichen Fotos lassen sich Merkmale wie Standort, Typen von Waffensystemen und Datum festlegen

Foto: Screenshot

Die Authentizität des umstrittenen "Kampfjet", der MH-17 abgeschossen haben soll, wird im Netz stark angezweifelt

Foto: Screenshot

Der Abschuss des Fluges MH17, der 298 Menschenleben forderte, sorgt weiterhin für heftige Debatten. Während unabhängige Berichte die ostukrainischen Separatisten für die Katastrophe verantwortlich machen - und damit indirekt auch Russland, das die Abschuss-Flugabwehr Buk geliefert haben soll; bestreiten Russland und die Rebellen dies vehement. So versuchte Russland mehrmals, Beweise für eine andere Version der Geschichte vorzulegen. Ein Kampf um Deutungshoheit und Wahrheit, der viele zweifeln lässt.

Öffentliche Quellen

Zu einer immer wichtigeren und gewichtigen Stimme in diesem Konflikt wird der Blogger Elliot Higgins. Er überprüft auf Bellingcat mittels öffentlich zugänglichen Quellen aus dem Netz den Wahrheitsgehalt offizieller Darstellungen. Higgins will nun mehrere Fehler in den russischen Beweisen ausgemacht haben, die er in den vergangenen Wochen in seinem Blog dokumentiert hat.

Ablenkungsmanöver

So hatte Higgins schon kurz nach dem Abschuss Zweifel an einem "Ablenkungsmanöver" der russischen Regierung angemeldet: Denn damals zeigte ein Regierungssprecher Bilder vom Flugabwehrgerät Buk, die in einer ukrainischen Stadt im Einflussgebiet der Regierung in Kiew aufgenommen worden sein sollen.

Als Beweis dafür zeigte Russland laut NDR eine Adresse auf einem Autowerbungsschild. Higgins durchwühlte daraufhin Bildarchive und soziale Netzwerke, bis er die exakt selbe Werbetafel fand – allerdings in Luhansk, das unter der Kontrolle der Separatisten stand. Bei besserer Auflösung wird auch sichtbar, dass die Beschriftung des Schildes eine andere ist – diese gibt keine Adresse, sondern "landesweiter Autohändler" an.

Zweiter Kampfjet?

Vor wenigen Tagen präsentierte das russische Staatsfernsehen nun Bilder eines Kampfjets, der MH-17 abgeschossen haben soll. Die Aufnahmen verbreiteten sich über ein russisches Internetforum, das sich wiederum fälschlicherweise auf "Wikileaks" berief. Eine nähere Analyse der Geschichte ließ die Blogger von Bellingcat zumindest "starke Zweifel" an der Authentizität aufkommen: So stimmen die Logos der Fluglinie auf Bildern der "echten" MH-17 und der russischen Version nicht überein.

Dafür deutet die Anordnung der Wolken auf den Satellitenfotos daraufhin, dass es sich bei den russischen Aufnahmen um Bilder handelt, die lange nach dem Absturz der MH-17 entstanden sind.

Investigativer Bürgerjournalismus

Higgins zeigt dabei mit Bellingcat, welche Möglichkeiten zur investigativen Recherche das Netz bietet. Satellitenbilder, soziale Netzwerke und Fotoblogs stellen (meist unbewusst) eine Fülle an Material bereit, mit dem "offizielle" Darstellungen überprüft werden können. In einem umfassenden Bericht will der Blog so etwa Erkenntnisse über den MH-17-Abschuss bereitstellen. Außerdem widmete sich Higgins dieses Jahr auch schon Berichten von Syriens Diktator Assad und entdeckte ein Ausbildungscamp der Terrormiliz "IS" via Google Maps.

Lob von Medienhäusern

Für seine Recherchen wird Higgins auch von etablierten Medienhäusern stark gelobt: Die Zeit und BBC hofieren den Blogger ebenso wie die ARD oder der Guardian. Bei einem dieser Häuser arbeiten möchte Higgins aber trotz zahlreicher Angebote nicht. Er glaubt an eine Form des "investigativen Bürgerjournalismus" der etwa durch Kickstarter-Kampagnen finanzierbar ist. Damit sei Higgins unabhängig – und zwar in jeder Hinsicht. "Meine Angaben lassen sich alle nachvollziehen", so der Blogger zum Medienmagazin Zapp. (fsc, derStandard.at, 17.11.2014)