SPÖ-Landeschef Reinhold Entholzer sieht die ÖVP-Frist für eine Steuerreform bis Ende März
als durchaus flexibel an: "Was herauskommt, wird sich zeigen. Wir lassen uns nicht treiben."

Werner Dedl

STANDARD: In der aktuellen Sonntagsfrage rutscht die SPÖ auf den dritten Platz zurück. Beunruhigt Sie das Umfragetief?

Entholzer: Meinungsumfragen sind kurzfristige Stimmungsbilder, nicht mehr, aber auch nicht weniger. Ich persönlich bin der Ansicht, dass erfolgreiche Politik kein Sprint, sondern ein Marathon ist. Dementsprechend halte ich es für notwendig, die zentralen Themen der Koalition – Stichwort Steuerreform – unter Dach und Fach zu bringen.

STANDARD: In Sachen Steuerreform sind für Bundesparteiobmann Werner Faymann die von ihm geforderten sechs Milliarden für eine Steuerreform "nicht mehr verhandelbar". Mit keinem Spielraum in Gespräche mit der ÖVP zu gehen wird schwierig, oder?

Entholzer: Unsere Leute erwarten sich eine klare Position. Die sechs Milliarden sind eine realistische Größe, die etwas bewirken muss.

STANDARD: Letztlich fordert die SPÖ aber gut eine Milliarde mehr als eigentlich mit der ÖVP vereinbart. Setzt man jetzt bewusst auf Provokation, um noch Bewegung in die Debatte zu bringen?

Entholzer: Es geht doch jetzt überhaupt nicht darum, jemanden zu provozieren. Außerdem war es der neue Finanzminister, der gesagt hat "Es geht jetzt einmal gar nix, wir haben kein Geld." Es ist immer interessant, dass dann plötzlich bei uns die Provokation liegt und bei der ÖVP der Sachverstand.

STANDARD: Ist es realistisch, dass mit Ende März 2015 der rot-schwarze Deckel auf den Reformtopf kommt?

Entholzer: Ein ambitioniertes Ziel. Aber das Tempo hat der ÖVP-Chef vorgegeben – und damit den Druck gewaltig erhöht. Aber eine Einigung ist zu schaffen. Die Welt ist ja nicht immer ganz so kompliziert. Die Nullen sind bei Verhandlungen meist ein paar mehr, aber: Wenn ich heute jemandem ein Auto um 10.000 Euro abkaufen will, der andere will aber 12.000, trifft man sich halt bei 11.000 Euro. Jede Partei betreibt da ein Spiel – der eine setzt ein bisschen tiefer an, der andere etwas höher. Und man trifft sich vernünftig in der Mitte.

STANDARD: Eine Umsetzung im März ist also realistisch?

Entholzer: Zumindest muss man sich dieses Ziel stecken. Was aber letztlich herauskommt, wird sich zeigen – wird alles sofort umgesetzt, geht man in Etappen vor. Es ist alles Verhandlungssache.

STANDARD: Also ein offenes Ende?

Entholzer: Wir lassen uns sicher nicht von der ÖVP treiben. Und sollte die ÖVP im März die Koalition aufkündigen, so steckt eher das wohlbekannte Kalkül dahinter, mittels Neuwahlen Erster zu werden. Die ÖVP sagt gern in einer Hochphase "Es reicht" – und dann reicht’s meist doch nicht.

STANDARD: Ihr Parteikollege, der Tiroler SPÖ-Chef Ingo Mayr, sieht die Situation weniger entspannt. Sollte es keine Einigung bis Ende März geben, müsse es Neuwahlen geben.

Entholzer: Die Tiroler haben ja wahnsinnig viele gute Erfahrungen mit Neuwahlen gemacht. Solch plakative Ankündigungen bringen nichts. Regelmäßig mögliche Neuwahlen heraufzubeschwören, hat mit seriöser Politik nicht zu tun.

STANDARD: Droht beim Bundesparteitag am 28. November der Aufstand der Genossen?

Entholzer: Werner Faymann wird oft weit unter seinem Wert geschlagen. Warum, weiß ich nicht – aber es ist leider so. Vielleicht weil er eine zu wenig tiefe Stimme hat. Der Werner wirkt oft noch ein bisschen jugendlich. Aber er macht gerade auch auf EU-Ebene eine hervorragende Arbeit. Was am Parteitag passieren wird, lässt sich natürlich schwer einschätzen. Da ist immer eine gewisse Eigendynamik möglich. Aber prinzipiell ist ja Kritik durchaus sinnvoll. Nur darf die Kritik nicht nur darin bestehen, dass man sagt: "Der Faymann ist schuld." Das haben manche in der Partei noch nicht verstanden. Aber ich gehe davon aus, dass alle, die dort delegiert sind, auch nachdenken. Und jeder muss sich zwei Fragen stellen: Stärkt man den Mann, der die Anliegen der Partei umsetzen soll, oder geht man heim und sagt: "Ich war wieder der wilde Hund und hab dagegen gestimmt."

STANDARD: Wo stehen Sie in diesem roten Gewissenskonflikt?

Entholzer: Ich weiß, dass es nicht einfach ist, in die eigene Gemeinde heimzukommen, zu sagen "Ja, ich hab für den Faymann gestimmt", und dann die Antwort "Du feiger Hund, hättest ihm doch eine aufgelegt" zu bekommen. Mein Appell ist immer, sich endlich auch daheim mit den Inhalten auseinanderzusetzen. Kritik ist wichtig, aber bitte nicht den Parteiobmann allein für alles verantwortlich machen.

STANDARD: Sie sind ja einer der roten Parteiobleute, die zu einem Kuschelkurs mit der Bundespartei neigen. Sind Sie so konfliktscheu oder so zufrieden?

Entholzer: Ich bin als Mensch halt so. Spannend ist ja, dass man von den Politikern immer Zusammenarbeit verlangt und dann aber kritisiert, wenn einer nicht laut poltert. Die Frage ist aber vielmehr, wie ernst einer genommen wird, der immer heftig austeilt. (Markus Rohrhofer, DER STANDARD, 25.11.2014)