Die dänische Band Iceage gastiert am Mittwoch in der Wiener Arena. Vor kurzem ist mit "Plowing Into the Field of Love" ihr drittes Album erschienen. Die beiden davor waren besser.

Foto: Matador Records

Wien - Die Jugend ist gemeinhin schwer zu ertragen. Nach der unbeschwerten Kindheit poppen Probleme auf wie die Wimmerln. Gleichzeitig beginnt es sich in der Hose nicht nur zu regen, wenn man aufs Klo muss. "Pressure! Pressure!", brüllt Elias Bender Rønnenfelt diesbezüglich, es könnte aber auch "Pleasure! Pleasure!" heißen.

Der Schaum vorm Mund des Sängers der dänischen Band Iceage verschluckt derlei verbale Feinheiten, Gitarre und Schlagzeug besorgen den Rest, der Bass ist auf Diarrhoe gestimmt. Laut und blechern dröhnt der Sound. Düster, kalt, postertauglich verzweifelt.

Eine andere Eiszeit

Schon der Bandname verspricht keine Wellness. Aber immerhin wurde die Band bis heute nicht von 20th Century Fox verklagt, die Eiszeit kann man offenbar nicht exklusiv für sich reklamieren. Von der Grundstimmung her liegt eine andere Eiszeit näher als die animierten Abenteuer von Mammut, Säbelzahntiger und Faultier. Geeigneter wäre das Lied "Ice Age"
von Joy Division und dessen Trostlosigkeit, aber das ist nur eine Vermutung.

Iceage sind eine sehr junge Band. Zusammengefunden haben sie als Teenager, mittlerweile dürfen sie Autos lenken und haben drei Alben veröffentlicht, das dritte vor kurzem. Es heißt "Plowing Into the Field of Love", ist auf Matador Records erschienen und Anlass für ein Konzert des Quartetts am Mittwoch in Wien.

Sturm und Zwang

Ihr Debüt hieß "New Brigade", das zweite Album eingeschränkt philanthropisch "You're Nothing". Darauf waren explosiv hingerotzte Stücke zu hören, wie sie nur die Jugend im Sturm und Zwang schreiben und spielen kann. Immer und immer wieder, seit jemand dankenswerterweise Punk erfunden hat. Wobei sich Iceage am Postpunk orientieren, als sich die Spielweisen verfeinerten und vielfältiger wurden.

Dennoch benötigten Iceage auf ihren ersten beiden Alben kaum je mehr als zwei Minuten für ein Lied. Dann war ihrerseits alles gesagt, blieb die Welt Antworten auf Fragen wie "Where's your morals?" erwartungsgemäß schuldig. Herrliche Voraussetzungen für weitere nihilistische Ausbrüche in den zwei Minuten.

Schaumgebremst statt wutschäumend

Das neue Album ist nun das erste, das länger dauert. Das ist zwar verbraucherfreundlich in Hinblick auf die gemeine Kosten-Nutzen-Rechnung, künstlerisch wirken die Ergebnisse vergleichsweise konventionell. Gut, man ist immer noch angepisst, und ein Blick auf die Welt genügt, um diese Stimmung nachvollziehen zu können.

Aber Punk bedeutete formal eine Verknappung. Man braucht keine Fünf-Minuten-Ballade, um ein "Fuck the World" mit drei Rufzeichen rauszukotzen. Das heißt, Iceage mussten sich für "Plowing Into the Field of Love" was überlegen. So kam es, dass neue Lieder wie "The Lord's Favorite" oder "How Many" nach Cowpunk klingen, wie ihn einst die britischen Godfathers in Rauchpausen gespielt haben.

Andernorts tauchen Blasinstrumente auf, vermehrt Klavier und die Slide-Gitarre. Das wirkt in Summe eher schaumgebremst denn wutschäumend. Tauwetter in der Eiszeit. Daran ändert auch ein Abstecher in den Gothic australischer Prägung ("Stray") nichts. Das ist immer noch okay, reicht aber an die wüsten frühen Veröffentlichungen nicht heran.

Live, bleibt zu hoffen, fährt das dennoch wie die Hölle. (Karl Fluch, DER STANDARD, 25.11.2014)