Am Smartphone fürs Smartphone gemacht: Mit Catrobat können Bilder und Töne einfach zu Animationen zusammengefügt und mit Spielmechaniken erweitert werden.

Foto: Catrobat

Graz - Auf dem Smartphone-Bildschirm erscheint ein Teller. Über diesen Teller flitzen Käfer in unberechenbarer Manier. Man muss sie mit den Fingern erwischen, drauftippen, um sie zu zerquetschen. Übrig bleibt ein grüner Fleck. Buggys on a Plate heißt das Spiel, das ein wahrscheinlich jugendlicher Nutzer programmiert und hochgeladen hat.

Das Besondere: Das Käfergemetzel wurde wie viele weitere kleine Spiele und Anwendungen mithilfe einer Android-App am Smartphone kreiert, und zwar mit "Pocket Code", das sich der Programmiersprache Catrobat bedient.

Wolfgang Slany, Leiter des Instituts für Softwaretechnologie der TU Graz, hatte die Idee zu Catrobat und gründete die dazugehörige Organisation. 300 Menschen aus 25 Ländern weltweit haben bisher mitgearbeitet, die einfache, visuelle Programmiersprache zu entwerfen. Sie soll Jugendliche ab 13 Jahren dazu bringen, einen Blick hinter die Kulissen zu wagen und sich für Softwaretechnik zu interessieren. Vorbild für Catrobat ist die Programmier-Umgebung Scratch des Massachusetts Institute of Technology (MIT), mit der Kinder Spiele und Animationen am PC erstellen.

"In Schwellenländern haben mehr Jugendliche Zugang zu Smartphones als zu PCs, in Afrika sind Handys verbreiteter als Stromanschlüsse", erklärt Slany. Mit Catrobat möchte er den globalen Trend zu mobilen Endgeräten nutzen, um Heranwachsende für die zeitgemäße "Kulturtechnik" des Programmierens zu begeistern. Damit erschließen sich nicht nur neue Einkommensquellen. "Wenn man weiß, wie man programmiert, hat man auch verstanden, was logisches Denken ist", sagt Slany. Bei der Verleihung des zuletzt 2013 vergebenen "Staatspreises Multimedia und e-Business" erhielt das Projekt den Innovationspreis.

Seit 2010 wird die visuelle Programmiersprache sukzessive mit neuen Funktionen angereichert. Catrobat besteht aus Modulen, die Anwender zu neuen Programmen fügen können. "Man kann wie bei Legobausteinen Blöcke herausnehmen und zusammenstecken", sagt Slany. Tippen muss man nur noch bei Dateinamen oder Variablen. Für Formeln steht ein Taschenrechner-Modus bereit. Oft benötigte Elemente wie eine Zufallsfunktion stehen als vorgefertigte Module zur Verfügung.

Alle Sensoren und Eingabemöglichkeiten von Smartphones werden miteinbezogen. Die Entwickler müssen dabei sicherstellen, dass die einzelnen Bausteine tatsächlich auf den Modellen vieler verschiedener Hersteller fehlerfrei funktionieren.

Denken wie 13-Jährige

"Wir überprüfen jeden Tag, ob alles zusammenpasst", erklärt Slany. In einer neuen Version soll etwa das Blitzlicht angesteuert werden können. "Wir haben dazu einen Sensor unter ein Handy montiert, der feststellt, ob sich der Blitz im richtigen Moment ein- und ausschaltet", so der Forscher.

"Unser Hauptproblem ist aber die Frage: Wie können wir uns in 13-Jährige hineinversetzen?", sagt der Computerwissenschafter. "Das ist gar nicht so einfach. Wir arbeiten dafür viel mit Schulen zusammen." Mädchen sollen dabei besonders gefördert werden.

Slany und sein Team arbeiten gerade an einem Compiler, der die selbstentworfenen Programme der Jugendlichen zu Apps macht, die sie ohne "Pocket Code" verwenden können und etwa direkt in Googles Play Store uploaden können. Eine Smartphone-Variante des Logikspiels Tic Tac Toe, das probeweise als App kompiliert wurde, wurde bereits 32.000-mal heruntergeladen.

Zuletzt wurde ein eigenes Physik-Paket in Catrobat implementiert, mit dem etwa fliegende oder fallende Elemente einfacher umgesetzt werden können. Gemeinsam mit der Spielzeugfirma Lego soll es bald Selbstbauroboter geben, die per "Pocket Code" mit den Smartphones verknüpft sind. Auch eine iPhone-Version der Catrobat-Komponenten ist geplant.

Die Software ist auf den Geräten der "One Laptop per Child"-Initiative vorinstalliert. Nicht nur Google fördert Catrobat, auch ein dazugehöriges millionenschweres EU-Projekt soll in Kürze starten. Slany: "Wir schätzen, dass wir bald 100.000 Nutzer haben werden." (Alois Pumhösel, DER STANDARD, 26.11.2014)