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Der Philosoph Jacques Rancière kommt nach Wien.

Foto: APA/EPA/KIM HEE-CHUL

Wien - Das Kino als Teil des Entertainmentkomplexes hat so gut wie vollständig auf die digitale Technologie umgestellt. Filmkameras und Filmmaterialien werden beständig weniger produziert, und die für die Produktion unentbehrlichen fotochemischen Labors und Kopierwerke schließen ihre Pforten. Das mag alles nach Abenddämmerung klingen - das analoge Medium ist jedoch nicht so schnell totzukriegen. Beispielsweise erfährt Film schon seit einigen Jahren in Kunst- und Museumskontexten neue Anwendungsgebiete, es gibt Initiativen für den Erhalt des Trägermaterials, auch Sammler, Cinématheken und Archive stehen vor umfassenden Herausforderungen.

Das vom Internationalen Forschungszentrum Kulturwissenschaften (IFK) in Wien und dem Österreichischen Filmmuseum organisierte Symposium "Das Unsichtbare Kino: Film, Kunst, Geschichte und das Medium" widmet sich bis 29. 11. einigen der drängenden Fragen, die mit diesen Umstellungen verbunden sind. Das Filmmuseum, das dieses Jahr seinen 50. Geburtstag feiert, verfügt mit seinem von Peter Kubelka entworfenen, sich "zum Verschwinden bringenden" Vorführungssaal quasi über den Brennpunkt der Veranstaltung: Film als kollektiv erlebbares Ereignis ist an diesem Ort bereits die Ausstellung einer historischen Praxis. Wie stark Film und Geschichte sich wechselseitig beeinflussen, ist ein Thema, das die Tagung nebenher mitbestimmt.

Mit dem Philosophen Jacques Rancière wird einer der gegenwärtig wohl einflussreichsten Denker zum Laufbild in Wien über vergangene und aktuelle "Spielräume des Kinos" Auskunft geben. Dabei wird er wohl auch seine Theorie von Film als eine andere Künste miteinschließende sowie von Geschichtlichkeiten durchdrungene Form näher ausführen - in einem Gespräch und in einem vertiefenden Seminar am IFK.

Kino nach dem Kino

Bis dahin werden sich weitere Vortragende mit der Übergangssituation des Mediums auseinandersetzen. Über Herausforderungen des Kuratierens und der Musealisierung von Film in diesem besonderen Moment seiner Geschichte sprechen Daniel Fitzpatrick beziehungsweise der Filmwissenschafter Winfried Pauleit. Noam M. Elcott geht in seiner Lecture der Vielheit von Vorführungsorten nach, einem Kino nach dem Kino - die Krise dessen privilegierten Platzes wird von dem Kunsthistoriker eher als Chance betrachtet. Mit einem Dreiervorschlag neuer Strategien für Filmarchive antwortet Nicole Brenez auf ähnliche Voraussetzungen.

Auch die Folgen für Institutionen und Veranstaltungen, die sich mit Laufbildern beschäftigen, werden auf dem Symposium nicht unerwähnt bleiben: Über den kulturellen wie wirtschaftlichen Wandel von Filmfestivals, die wiederaufgefrischten Filminitiativen in Kunstmuseen sowie über die Frage des "richtigen" Vorführungsortes diskutieren der Direktor der Tate Modern, Chris Dercon, und Lars Henrik Gass, Leiter der Kurzfilmtage Oberhausen. Die Möglichkeiten des Analogen werfen in digitalen Zeiten somit nicht weniger Fragen auf, sondern eher einige mehr. (Dominik Kamalzadeh, DER STANDARD, 26.11.2014)