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Jean-Claude Juncker will private Investoren nach Europa locken.

Foto: Reuters/Vincent Kessler

"Ich warne davor, dass man das Paket unterschätzt, denn es hat Substanz. Ich möchte aber auch davor warnen, dass man es überschätzt." Es war Kommissionspräsident Jean-Claude Juncker selbst, der am Mittwoch in Straßburg versuchte, falsche Erwartungen an den von ihm im Plenum des Europaparlaments zuvor präsentierten "Investitionsplan für Europa" von vornherein zu zerstreuen.

"Der Plan allein wird Europa nicht retten. Es geht zuerst darum, frischen Wind in die Union zu bringen", sagte er in einer Pressekonferenz mit Parlamentspräsident Martin Schulz. Man wolle in die eingefahrenen Strukturen "etwas Zugluft hineinbringen"; das Wachstum bis 2017 um bis zu einem Prozent zusätzlich anzukurbeln; mehr als eine Million Jobs zu schaffen.

Der große Investmentplan mit einem Volumen von 300 Milliarden Euro für wesentliche Infrastrukturprojekte in den Bereichen Digitales, Energie und Verkehr war als erste Priorität der neuen Kommission seit Wochen erwartet - und bereits kritisiert worden als Versuch, "alten Wein in neue Schläuche der Finanzierung zu füllen", wie ein EU-Abgeordneter aus Großbritannien erklärte.

Frischer Wind, frisches Geld

Tatsächlich beträgt das angepeilte Volumen nach Kommissionsplänen sogar 315 Milliarden Euro in den Jahren 2015 bis 2017. Und in der Tat dreht es sich bei den von den Mitgliedstaaten bereits in Brüssel angemeldeten Projekten zum Teil um Investitionen, die seit längerem unerledigt sind. Österreich zum Beispiel hofft auf Finanzierung von insgesamt 28 Milliarden über den EU-Umweg.

Juncker betonte in seiner Erklärung jedoch, dass es sich um "frisches Geld" handle, eine auf Mittel der EU-Kommission und ihrer "Hausbank" der Europäischen Investitionsbank (EIB) gestütztes Finanzierungsmodell. Kern des Ganzen ist ein Europäischer Fonds für Strategische Investitionen (EFSI), dessen Schaffung die Kommission den Regierungen vorschlägt. Dieser würde mit 21 Milliarden Euro "Grundkapital" bestückt, die aber nicht aus nationalen Töpfen kommen. 16 Milliarden kämen aus unverbrauchten EU-Mitteln zur Förderung von Verkehr, Wissenschaft und Forschung und aus Reserven, fünf Milliarden Euro von der EIB.

Hebelwirkung

Die EU-Bank könnte dieses "Kapital" (das zum Teil aus Garantien der Kommission besteht) auf das Dreifache "hebeln". Mit den dann zur Verfügung stehenden 63 Milliarden Euro ließen sich von Privatinvestoren auf den Weltmärkten wiederum das Fünffache - also 315 Milliarden Euro - gerieren. Investoren sollen Garantien für ihr Engagement bekommen.

Dieses Geld aufzubringen sei nicht das erste Problem, assistierte EIB-Präsident Werner Hoyer dem Kommissionschef. Entscheidend werde es sein, dass es gelinge, erfolgreiche Projekte zu kreieren, die ein Expertengremium aussuche, nicht die Politik. In Europa bestehe eine "Investitionslücke" von mehreren hundert Milliarden Euro seit der Krise 2008.

"Schicksalsgemeinschaft"

Juncker sagte dazu, dass es sich nicht um nationale Lieblingsprojekte handeln werde, es gehe darum zu begreifen, dass "die Union eine Schicksalsgemeinschaft ist" und bereit sei, dass in jenen Regionen investiert und Arbeitsplätze geschaffen werden, die unter der Krise am meisten gelitten hätten. Der Kommissionspräsident lud die Nationalstaaten ein, sich aus eigenem Antrieb am neuen Fonds zu beteiligen, der Union einen "Kickstart" zu geben, als "Auftakt zu einer neuen Arbeitsmarktpolitik", wie Schulz das nannte. Im Gegenzug gab Juncker die Garantie ab, dass alle diese "strategischen Investitionen" der Staaten bei der Prüfung der Einhaltung der Eurostabilitätskriterien nicht eingerechnet werden. An der Stabilitätspolitik der EU-Länder, den Spar- und Reformbemühungen zur Konsolidierung der Haushalte solle sich auch nichts ändern.

Jedoch müsse es in einem dritten Element des Investmentplans zu umfangreichen Strukturreformen in der Union kommen, zum Abbau administrativer Hürden. Nur so, lautet die Absicht, sei es möglich, große grenzüberschreitende Projekte in der Union voranzubringen, Europa wieder zu einem attraktiven Standort im globalen Markt zu machen. (Thomas Mayer aus Straßburg, DER STANDARD, 27.11.2014)