Mehr als ein Drittel der Erde besteht daraus, trotzdem ist es extrem rar: Die Bridgmanit-Kristalle, die nun erstmals beschrieben wurden, stammen aus dem Tenham-Meteoriten, der 1879 in Australien einschlug. Darunter ein Querschnitt durch den Aufbau der Erde mit der Bridgmanit-Schicht im unteren Erdmantel.

Foto: Chi Ma, CalTech
Grafik: Science

Washington/Wien - Es mutet auf den ersten Blick unglaublich an, ist aber wahr: Vom am häufigsten vorkommenden Mineral unseres Planeten lag bis vor kurzem noch keine wissenschaftliche Beschreibung vor. Und weil diese fehlte, hatte das Gestein auch noch keinen Namen - obwohl es nicht weniger als 38 Prozent des Volumens der Erde ausmacht.

Immerhin wusste man, dass dieses fragliche Mineral im unteren Erdmantel vorkommt, einer mehr als 2000 Kilometer dicken Schicht, die sich in einer Tiefe von 670 bis 2900 Kilometern befindet. Die Temperatur liegt dort bei bis zu 4000 Grad Celsius und der Druck bei mehr als 230.000 Atmosphären. Doch in solche Tiefen kann der Mensch unmöglich vordringen: Die bisher tiefste Bohrung fand auf der russischen Halbinsel Kola statt und endete nach zwölf Kilometern.

Foto: Chi Ma

Dennoch hat das Mineral, das bis dahin unter dem Sammelbegriff Silikat-Perowskit firmierte, seit dem 2. Juni einen richtigen Namen, der durch die Commission on New Minerals, Nomenclature and Classification (CNMNC) bestätigt wurde: Auf Vorschlag der in den USA tätigen Forscher Oliver Tschauner (University of Nevada) und Ma Chi (Caltech in Pasadena) heißt das Mineral nun ganz offiziell Bridgmanit.

Benannt ist das Mineral mit der Strukturformel (Mg,Fe)SiO3 nach dem US-Physiknobelpreisträger Percy Bridgman. Dieser erhielt den Preis für die Entwicklung von Hochdruckapparaten, mit denen es gelang, Prozesse zu simulieren, die im Inneren der Erde vor sich gehen. Für die Namensgebung ist eine Erzeugung im Labor aber nicht zulässig - dafür muss das Mineral in natura vorliegen.

Doch wie ist es Tschauner und Kollegen gelungen, die für die Strukturbestimmung nötigen Bridgmanit-Kristalle aufzutreiben? Sie entdeckten winzige Stücke davon in einem 4,5 Milliarden Jahre alten Meteoriten, der 1879 in Australiens einschlug. Bei Einschlag der kosmischen Bombe herrschten genau jene Bedingungen wie im unteren Erdmantel: Die Kristalle im Meteoriten wurden zu Bridgmanit gepresst.

In der Fachzeitschrift "Science" berichten die Forscher nun von der erfolgreichen Isolierung des so häufigen und doch so seltenen Minerals und beschreiben erstmals seine würfelförmige Kristallstruktur im Detail. Eine besondere Kunst bestand dabei nicht zuletzt darin, die winzigen Kristalle bei der Analyse nicht zu zerstören. Genau daran waren bereits zwei Forschergruppen gescheitert. (Klaus Taschwer, DER STANDARD, 29.11.2014)