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Donald Tusk.

Foto: EPA/JACEK TURCZYK

Donald Tusk ist nicht der erste Pole an der Spitze einer EU-Institution. Im Juli 2009 war Jerzy Buzek - einer seiner Vorgänger als Premierminister - vom Plenum des Europaparlaments zum Präsidenten gewählt worden. Aber wenn Tusk mit dem heutigen 1. Dezember sein Amt als Präsident des Rates der Staats- und Regierungschefs antritt, hat dies mehr als symbolische Bedeutung.

Zehn Jahre nach der großen EU-Erweiterung 2004 sind die zehn Mitgliedstaaten des ehemaligen kommunistischen Ostblocks in der Union angekommen - auch machtpolitisch, in der Exekutive. Der liberal-konservative Tusk, der Herman Van Rompuy aus dem Gründungsland Belgien ablöst, sieht das genauso. Lange hatte die dänische Ministerpräsidentin Helle Thorning-Schmidt als Favoritin gegolten. Da der Christdemokrat Jean-Claude Juncker Chef der Kommission wurde, wäre der Ratschef den Sozialdemokraten zugefallen. Aber Thorning-Schmidt wollte nicht. Einen anderen Roten fand man nicht. Also pochte die deutsche Kanzlerin Angela Merkel, die aus der ehemaligen DDR kommt, auf Tusk.

Dessen Großväter, Angehörige der Minderheit der Kaschuben, stammen aus Danzig. Sie überlebten die Konzentrationslager der Nazis. Einer kämpfte zu Kriegsende in der Exilarmee. Tusk heißt nicht zufällig Donald, obwohl er eher schlecht Englisch, dafür aber perfekt Deutsch spricht. Sein Vater, ein Tischler, litt unter den Kommunisten - wie er selbst auch, als er in den 1970er-Jahren Geschichte studierte. Er schloss sich der Opposition an.

Schicksal Danzig: Dort streikten die Werftarbeiter, wurde die Gewerkschaft Solidarnosc gegründet, wegen deren Widerstands 1981 das Kriegsrecht ausgerufen wurde. Tusk verlor seinen Job, war einfacher Arbeiter, bis der Umbruch 1989 Polen die Freiheit brachte. Wenig überraschend, dass er ein unbedingter Anhänger des Beitritts zu EU und Nato wurde. Im Ukraine-Konflikt spricht er sich für mehr Härte gegen Moskau aus.

Nach 1989 gründete er eine liberale Partei mit, war Abgeordneter, Präsidentschaftskandidat. 2007 wurde er Premierminister und machte Polen zum "Musterland", das auch im Weimarer Dreieck mit Deutschland und Frankreich eine gewichtige Rolle spielt. Tusk gilt als Meister in Verhandlungen und im Taktieren. Genau das wird der 57-jährige Vater zweier Kinder am meisten brauchen in dem unmöglichen Job, 28 Regierungschefs zu koordinieren. (Thomas Mayer, DER STANDARD, 1.12.2014)