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Kernsolidarisch oder Himmelfahrtskommando?

Foto: apa/dpa/berg

Pro
Von Stefan Schlögl

Ich habe ihn gemacht, den Nikolo. Mich also in die allseits bekannte Panier geworfen, um vor Publikum die Mahn-Lob-und-Sackerlverteilnummer zu geben. Das war in einer Wohngruppe der Lebenshilfe, in der ich einst als heilpädagogischer Betreuer mit geistig Behinderten arbeitete. Oder sie mit mir. Der Bärtige war meine schlechteste Rolle.

Das lag weniger daran, dass ich weder die Statur noch die nötige Gravitas besitze, sondern weil die Situation etwas entglitt. Aufwändig mit Mitra, Stab und Lockenhaar verkleidet, trat ich vor die Bewohner und trug meine Lob-Miniaturen vor. Was den Happy Few egal war. Unsere Autistin zog an der Kutte, der Autoaggressive schlug sich dauernd einen Schokonikolo gegen den Kopf. Schließlich fragte eine: "He, Stefan, warum bist'n verkleidet?" Ich zog die Show wacker durch. Weil ich irgendwann merkte, dass ihnen allen dieser Religionszinnober wichtig war. Sie zeigten es bloß auf ihre ganz spezielle Weise. Seitdem fühle ich mich mit allen kernsolidarisch, die ihn machen. Den Nikolo.

Kontra
Von Sigi Lützow

Kinder, also die Hauptadressaten dieser Maskerade, verzeihen keine Fehler. Und sie lassen sich nicht täuschen. Ist nur einem der Rangen der Laiendarsteller bekannt, hilft zum Beispiel der ganze Mummenschanz nichts. "Jö, der Onkel Sigi, der hätt aber keinen Polster für den Bauch gebraucht!" Schenkelklopf! Selbst fremde Brut muss sehr frisch sein, um die Verlogenheit der Aktion nicht zu schnallen. "Warst du auch immer brav?" Wie soll das gehen, fragt sich der naivste Zwerg zurecht. Und der Lohn für eine Lüge unter Gruppendruck? Nüsse! Äpfel! Mandarinen! Ein Witz, wo doch beim Christkind längst alles schon bestellt ist, vom Schminkpuppi bis zum Playmobil-Knast.

Fast unhaltbar ist die Situation der Gefälligkeitsnikolause, seit die fleischgewordene Sanktionsdrohung verpönt ist. Ein überzeugender Krampus ist leicht hinzukriegen, aber ohne ihn ist alles für den, nun ja, Bischof. Als leibhaftiger Nikolausi aufzutreten ist ein Himmelfahrtskommando. Dann schon lieber als heimliches Osterhasi! (Rondo, DER STANDARD, 5.12.2014)