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"Er trägt mehr zur Parlamentsarbeit bei als seine ganze Fraktion. Dazu kommt sein freundliches Zugehen auf Andere und seine hohe persönliche Kultur," bescheinigte das Magazin "Polityka" Robert Biedron.

Foto: AP / Alik Keplicz

In Polen ist es eine Sensation: Robert Biedron ist der erste offen schwule Bürgermeister des Landes. In der pommerschen Ostseestadt Slupsk, dem früher deutschen Stolp, stimmten in der Stichwahl am Sonntag fast 60 Prozent der Wähler für den 38-Jährigen. "Man kann Berge versetzen, wenn man nur will", jubelte er. Noch wenige Tage zuvor hatten die Umfragen seinen Rivalen Zbigniew Konwinski von der liberalen Regierungspartei Bürgerplattform vorn gesehen.

In der 100.000-Einwohner-Stadt findet man den Medienhype um die sexuelle Orientierung des Politikers eher befremdlich. Schon vor drei Jahren hatte der Wahlkreis Gdynia-Slupsk den engagierten Jungpolitiker ins polnische Parlament gewählt. "Ob ich schwul bin oder nicht, interessiert die Leute hier gar nicht", erklärt Biedron. "Ich bin ehrlich, arbeite hart, und ich habe ein gutes Programm für Slupsk. Das allein zählt hier."

Einer der "zehn besten Abgeordneten"

Der Absolvent einer Hotelfachschule und Diplompolitologe engagierte sich schon früh gegen die offene Diskriminierung von Schwulen und Lesben in Polen, erkannte jedoch bald, dass er selbst Abgeordneter werden musste, um das Recht Polens ändern zu können. Als ihm das Bündnis der demokratischen Linken (SLD), dessen Mitglied er seit den 1990er-Jahren war, bei den Parlamentswahlen 2005 nur einen aussichtslosen Listenplatz zugestand, schloss er sich der linksalternativen Palikot-Bewegung an. Auf deren Liste gelang ihm 2011 der Einzug in den Sejm, das polnische Abgeordnetenhaus. Das einflussreiche Magazin "Polityka" kürte ihn 2014 zu einem der zehn besten Abgeordneten: "Er trägt mehr zur Parlamentsarbeit bei als seine ganze Fraktion. Dazu kommt sein freundliches Zugehen auf Andere und seine hohe persönliche Kultur."

Da Biedron für den Wahlkampf in Slupsk gerade einmal rund 3500 Euro zur Verfügung hatte, ging er seit Oktober fast jeden Tag höchstpersönlich auf die Straße, sprach die Leute an und versuchte, sie von seinem Programm für die Stadt zu überzeugen: "Runter mit den Schulden, Energiesparen, Internet für alle." Auch als Bürgermeister werde er sich nicht in einer Luxuslimousine ins Amt chauffieren lassen, sondern wie bisher auch mit dem Fahrrad fahren.

Der Slogan "Endlich Wandel" überzeugte sogar Hooligans, die ihn zunächst anpöbelten. Als Biedron sich nicht provozieren lassen wollte, skandierten die Angreifer nach ein paar Tagen nicht mehr "Schwuchtel", sondern "Robert, Robert!" (Gabriele Lesser aus Warschau, DER STANDARD, 3.12.2014)