Abtreibung ist in Österreich verboten. Im Gesetz werden lediglich Voraussetzungen formuliert, unter denen sie nicht strafbar ist. Etwa wenn der Abbruch innerhalb der ersten drei Schwangerschaftsmonate vorgenommen wird – oder aber wenn "ernste Gefahr" besteht, dass ein Kind "geistig oder körperlich schwer geschädigt" sein könnte. Ein behinderter Fötus darf in Österreich abgetrieben werden, bis die Wehen einsetzen.

Vom zuständigen UN-Ausschuss wurde Österreich dafür schon kritisiert. Juristisch ist der Paragraf umstritten. Fakt ist: Zwischen 1995 und 2006 ist die Geburtenrate von Kindern mit Downsyndrom um 60 Prozent gesunken. Fakt ist auch, dass dieses Gesetz unsere Geisteshaltung widerspiegelt: Menschen mit Behinderung werden in unserer Gesellschaft nicht gewollt. Für sie gibt es Sonderregelungen, Sondereinrichtungen, Sonderschulen, Sachwalter.

Viele Betroffene wollen sich das schon längst nicht mehr gefallen lassen. Doch die Politik stellt sich taubstumm. Es gibt keine Stelle, die Bund und Länder koordiniert, kein zuständiges Staatssekretariat. Die Zukunft behinderter Menschen wird von mittleren Beamten und jenen Einrichtungen ausverhandelt, deren Abschaffung viele fordern. Ändern würde sich wohl leider erst dann etwas, wenn wir alle auf die Barrikaden gingen. Auch "wir", die wir "bloß" sozial behindert sind, weil wir mit einem Teil unserer Gesellschaft kaum in Berührung kommen wollen. (Katharina Mittelstaedt, DER STANDARD, 3.12.2014)