Im Süden Moskaus inmitten einer hübschen Parkanlage liegt der neogotische Palast Zarizyno. 1776 war auf Befehl der deutschstämmigen Zarin Katharina mit den Bauarbeiten begonnen worden, zehn Jahre später ließ sie den fast fertigen Palast wieder abreißen, weil ihr der Stil plötzlich nicht mehr gefiel. Auch der zweite Bauversuch hielt den Launen der Zarin nicht stand, 1793 verlor sie endgültig die Lust an dem Projekt, sodass Zarizyno mehr als 200 Jahre lang eine romantische Bauruine war, ehe der Palast unter Präsident Wladimir Putin doch vollendet wurde.

Auch Katharinas Nachfolger im Kreml ist nicht frei von Launen. Seine wohl teuerste war die Pipeline South Stream: Es war durchaus ein persönliches Projekt, getrieben vom Bedürfnis, den "Orangen Revoluzzern" in der Ukraine eins auszuwischen und sich ein Monopol auf Europas Energiemarkt zu sichern. Es ging mehr um Machtambitionen als um wirtschaftliche Erwägungen. Darum stand die Realisierung des Projekts einerseits unter dem Motto "Koste es, was es wolle" – und andererseits stand sie in Russland nie öffentlich zur Debatte. Die Entscheidung darüber wurde allein in den Hinterzimmern des Kremls gefällt.

Genauso einsam fiel nun die Entscheidung gegen das Projekt. Der beleidigte Zar hatte keine Lust mehr – nachdem er fast fünf Milliarden russischer Steuergelder investiert hatte. Schade nur, dass die Southstream-Ruinen weit weniger romantisch anzuschauen sind als Zarizyno. (André Ballin, DER STANDARD, 3.12.2014)