Hunderte Rollen Klebeband verpickten Numen / For Use für ihren Riesenkokon im Pariser Palais de Tokyo.

Foto: Numen / For Use

Die Stammkundenkarte im Baumarkt rentiert sich für die drei Designer von Numen / For Use in jedem Fall. Ihr Klebebandverbrauch dürfte jenen von so manchem Packerldienst in den Schatten stellen. Soeben haben Christoph Katzler (ein Wiener), Sven Jonke (ein Deutscher) und Nikola Radeljkovic (ein Kroate) in Paris gepickt, was das Zeug hält, und zwar im Palais de Tokyo, einem der international renommiertesten Tempel für Gegenwartskunst.

Dort ist ihr neuester Klebestreich nicht nur zu sehen, sondern auch zu erleben. Der Kokon in Paris misst circa 50 mal 25 mal 6 Meter und ist der größte in der Klebebandbaugeschichte. 14 solcher Installationen gab es bisher, die größte frei tragende Spannweite hatte die Blase über einem Burggraben im schwedischen Örebro mit gut 30 Metern. Präsentiert wurden die Tape-Installationen auch schon in Frankfurt, Tokio, London, Melbourne oder der Kunsthalle Schirn in Frankfurt.

Auf dem Dachboden

Angefangen hat die Sache vor fünf Jahren, und zwar auf einem Wiener Dachboden, wo man mit durchsichtigem Klebeband begann, zwischen den Dachbalken herumzuexperimentieren. Was dabei herauskam, sprach sich schnell in der heimischen Designszene herum. Einen Namen machten sich die Gestalter, die sich im Rahmen ihres Designstudiums auf der Wiener Angewandten kennengelernt haben, allerdings schon früher, als die drei Möbel für Kapazunderfirmen wie Zanotta, Moroso oder Cappellini entwarfen.

Doch irgendwann stand Numen / For Use der Sinn nach Größerem, und sie begannen Strandpromenaden und Bühnenbilder zu gestalten, zum Beispiel für die Staatsoper Berlin oder auch das spanische Nationaltheater. (Aktuell ist das Trio außer in Paris auch im Rahmen einer Ausstellung in New York und bei der Art Basel in Miami vertreten.)

Die Tape-Installationen erinnern an vieles: Darmspiegelung, Maulwurfgänge, Schlauchwelten, Kinderträume, Kokons etc. Doch was hat es auf sich mit diesen gigantischen, zarten und doch mächtigen Architekturen, in die die Besucher krabbeln wie Kinder durch eine Spieleburg?

Megaspielplatz

Von Anfang an: Die Installation wird zwischen Säulen, Bäumen, oder was sonst so als Befestigungspunkt taugt, aus Verpackungsklebebändern gewoben, bis sie robust genug ist, das Gewicht von Menschen zu tragen. Zwischen fünf und zehn Menschen finden gleichzeitig Einlass in das Reich von Numen / For Use. Zu Beginn werden ein paar Klebebänder in Längsrichtung gespannt, danach wird gewickelt und gepickt. Durch den dabei entstehenden Druck und Zug schrumpft das Gebilde mehr und mehr zusammen, bis geometrisch perfekte, geschlossene Hüllen entstehen, die an die innere Ordnung von wachsenden, organischen Formen erinnern. Ganze 43 Kilometer Klebeband wurden in Paris verbraucht.

"Wir lösen mit diesen Installationen Verschiedenes aus, ein Gefühl der Stabilität und Sicherheit einerseits, dann aber auch wieder etwas Überraschendes, Neues. Manche sprechen von einer Art des Ur-Ich, das sie darin verspüren", sagt Christoph Katzler und setzt dem nach: "Fast alle krabbeln fasziniert und begeistert heraus. Man fühlt sich darin wie in einem Cyberraum oder einem überdimensionalen Spinnennetz, und die Augen der Besucher beginnen oft zu leuchten wie jene von Kindern auf einem Megaspielplatz." Auf die Idee zu dieser Art von Auseinandersetzung mit dem Raum kamen Numen / For Use übrigens nach einem Bühnenbildentwurf für eine Tanzperformance, bei der Tänzer Klebebänder hinter sich herzogen.

Apropos Klebeband: Die drei Entwerfer entwickeln gerade selbst ein Klebeband, das kompostierbar sein soll - ein naheliegender Gedanke bei der Masse an klebrigem Baumaterial, das nach einer solchen Installation zu entsorgen ist. Den Baumarkt wird der Umsatzeinbruch allerdings weniger freuen, sollte das mit dem Pickmaterial Marke Eigenbau hinhauen. (Michael Hausenblas, Rondo, DER STANDARD, 5.12.2014)