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Bei der Gemeinderatswahl Ende Jänner darf auch an den Nebenwohnsitzen in Niederösterreich gewählt werden.

Foto: APA/Georg Hochmuth

Man stelle sich vor: Jemand lebt und arbeitet unter der Woche zum Beispiel in Wien und verbringt jeden freien Tag in einem Ort in Niederösterreich. Bei Wahlen mitbestimmen zu dürfen, wer die Geschicke der Gemeinde des Zweitwohnsitzes leitet, ist nur fair – oder?

Ein zweites Gedankenspiel: Jemand wohnt in einer niederösterreichischen Gemeinde und engagiert sich dort in der Politik. Ab und zu kommen Parteifreunde aus anderen Orten des Bundeslandes auf Besuch und vice versa, also meldet man beieinander Nebenwohnsitze an. Wie nett, dass die "Mitbewohner" bei der nächsten Landes- oder Gemeindewahl die gleiche Partei wählen – oder? Solche Besucher hat der Vizebürgermeister von Laa an der Thaya, wie dieser selbst sagt, bei sich im Haushalt gemeldet - ergab samt Familienmitgliedern 19 Wahlberechtigte im Zuhause von Reinhard Neumayer (SP). Auch gegen VP-Politiker dort wurden von der Liste proLaa ähnliche Vorwürfe erhoben. Aber es geht noch extremer: Eine Liste will ein paar hundert Scheinanmeldungen in Litschau aufgedeckt haben.

VP steht zu geltendem Wahlrecht

Kurz gesagt: In einigen der 570 Gemeinden in Niederösterreich, in denen am 25. Jänner der Gemeinderat neu gewählt wird, treibt das Wahlrecht für Nebenwohnsitzer seltsame Blüten. Dennoch steht VP-Landesgeschäftsführer Gerhard Karner zur geltenden Form des Wahlrechts in Niederösterreich. Wer in einer Gemeinde einen zweiten Lebensmittelpunkt hat, soll dort mitbestimmen können, argumentiert er. SP-Landesgeschäftsführer Robert Laimer ruft wiederum nach einer Reform und verweist auf aktuell kursierende Negativbeispiele.

Die Debatte kocht mit einer Regelmäßigkeit vor jeder Wahl in Niederösterreich hoch. Zuletzt zu beobachten in den Wochen vor der Landtagswahl im Frühjahr, wo die Stimmen der Nebenwohnsitzer acht Prozent ausmachten. Derzeit ist das Thema im Bundesland wieder allgegenwärtig, weil in weniger als 50 Tagen gewählt wird und bis 9. Dezember alle Einsprüche gegen das Wählerverzeichnis zu behandeln sind. In einigen Fällen, darunter welche in Laa an der Thaya, soll der Landesverwaltungsgerichtshof Einsprüchen gegen das Wählerverzeichnis stattgegeben haben. Insgesamt betreffen kolportiere Vorwürfe im Land sowohl SP- also auch VP-, sowie einzelne FP-Politiker.

Simple Lösung in sieben Ländern

Offensichtlich ist: Die Wahlerlaubnis für Nebenwohnsitzer ermöglicht nicht nur mehr Mitsprache, sondern auch mehr Missbrauch. Am Wahltag sollte der Bürgerwille die Wahl entscheiden – nicht, welche Parteifunktionäre anmeldetaktisch am geschicktesten agierten oder wer besonders oft Besuch von Parteifreunden erhält. Zwar sind Einsprüche gegen Wählerverzeichnisse möglich, doch ein Neben- ist im Vergleich zum Hauptwohnsitz eine schwammige Sache.

Es gibt eine simple, in fast alle Bundesländern - bis auf das Burgenland und eben Niederösterreich - bereits erprobte Regel, um dem Missbrauch vorzubeugen. Die da lautet: Jeder Wahlberechtigte hat eine Wahlstimme und diese gilt am Hauptwohnsitz. (Gudrun Springer, derStandard.at, 8.12.2014)