Tarnen und Täuschen: Zeichnung von Per Dybvig (Ohne Titel, 2014).

Foto: Stefan Altenburger

Freund oder Feind? Eine für das Überleben nicht ganz unwesentliche Frage über die sich, wer unter Wilden lebt, ernsthaft Gedanken machen sollte. Der tierische Held in einem von Per Dybvigs Trickfilmen macht zu diesem Zweck eine Liste. Allerdings: Die Seite der amikal Gestimmten fällt eher kärglich aus.

Nicht Opfer - oder sagen wir Beute - zu werden und mit heiler Haut davonzukommen ist auch in den neuesten, ebenso rätselhaften wie unheimlichen Zeichnungen des Norwegers Thema: Ein verängstigtes Häschen duckt sich in sein Versteck, eine gigantische Amaryllis, eine Art Blumenbaum. Am Tschick in seinem Mäulchen saugt es, als könnte der Rauch es hier und sofort unsichtbar machen. Denn neben ihm türmt sich ein zotteliger Koloss auf, mehr Yeti als Häschen - und mit Geweih und zugespitztem Pflock in der Hand mehr untoter Vampirjäger als Samtohr.

Recht aussichtslos auch die Situation auf einem anderen Blatt. Auf einem riesigen Blütenstängel plauscht zwar ein Rattenmann entspannt mit einem Clochard, samt Zigarette und Rotweinbouteille, aber unmittelbar über ihnen hat sich ein Vogel gerade ein possierliches Felltierchen aus der üppigen Flora gefischt. Überdies wachsen dem Hasen Halme aus dem Kopf, und die Räuberschnäbel scheinen mit den Tropenpflanzen nah verwandt zu sein.

Ein transformatives Durcheinander, eine Albtraum-Fabelwelt ist es, die der 1964 geborene Zeichner und (Kinderbuch-)Illustrator in der Wiener Galerie König vorführt und wie Storyboards und Kulissen einer neuen (Film-) Erzählung ausbreitet. Pflanzen werden zu schützenden Behausungen, Architekturen lösen sich in Landschaften auf, und die in ihr wandelnden Lebewesen werden zu hybriden Monstern, die ihre Identität verloren haben.

Im Vergleich zu seinem spontanen, rotzig-wilden, irrsinnig temporeichen Zeichenstil, der Per Dybvigs Illustrationen charakterisiert, und den wilden Buntstiftwelten, die der Norweger 2011 in Wien zeigte, sind die nun für die Schau outdrunk from neighbourhood, dead hare surrounded entstandenen Blätter fein gestrichelte, regelrecht virtuos gefertigte Tuscharbeiten. Zarte, beinahe sinnliche Striche verführen, in zwielichtige Abgründe zu blicken. Die Motive vom Jäger und Gejagten kennt man von Dybvig ebenso wie seinen surrealen Kosmos, durch den oft mit Revolvern bewaffnete Hasen stolpern.

Vorbild für das zeitgenössisch weiter gesponnene Hasenthema war die Renaissance-Druckgrafik Die Hasen fangen und braten den Jäger (Georg Pencz), Illustration eines Gedichts von Hans Sachs, der in der Rache am Jäger angeblich moralischen Ausgleich zur Unterdrückung der Bauern fand. Ob Dybvigs blutiges Reich solche Personifikationen enthält, muss sich jeder selbst beantworten.

Darüber hinaus sind Stop-Motion-Animationsfilme Dybvigs zu sehen. Brutale Variationen auf ein skurril-abgründiges Jäger-Hund-Motiv, das auf norwegische Märchen referiert. Neugier auf diese, vielleicht erhellenden Quellen, stillt die Schau allerdings nicht. (Anne Katrin Feßler, Album, DER STANDARD, 6./7./8.12.2014)