Ex-Aubesetzer unter sich: Manfred Rosenberger zeigt Gabriela Moser den Plan der Besetzung.

Foto: Conrad Seidl

Hainburg - Fährt man mit der Schnellbahn in die Stopfenreuther Au, so passiert man eine andere Landschaft als vor 30 Jahren: Damals gab es die vielen Windräder noch nicht, die rechts vom Bahndamm die Landschaft bis zum Horizont beherrschen. Damals gab es nur das Projekt, links vom Bahndamm ein Großkraftwerk zu errichten. Vor genau 30 Jahren, am 8. Dezember 1984, sind hunderte "junge Österreicher von acht bis 80 Jahren" , wie es der Biologe Bernd Lötsch heute wie damals formuliert, im morgendlichen Schnellbahnzug gesessen, um von Bad Deutsch-Altenburg zu einem Sternmarsch in die Au aufzubrechen.

Um gegen das Kraftwerksprojekt zu protestieren. Um den Bau zu verhindern. Um die Au zu besetzen. Deshalb hatten auch so viele Campingausrüstung, mehr oder weniger wintertauglich, im Gepäck.

Liebäugeln mit dem AKW Zwentendorf

30 Jahre später sitzen drei Dutzend Besetzer von damals im Zug, viele bekannte Gesichter darunter: Eva Hauk, seinerzeit Generalsekretärin der Vereinten Grünen, Wolfgang Rehm von der Naturschutzorganisation Virus, die Abgeordnete Gabriele Moser von den Grünen. Wie war das damals? Die Grünen waren noch nicht im Parlament vertreten, die Regierung wurde von der SPÖ mit einer ziemlich schwachen FPÖ gebildet und die Energiepolitik vom ÖGB bestimmt. Die Gewerkschafter forderten ultimativ billige Energie - egal mit welchen Umweltbelastungen. Noch liebäugelte man mit der (sechs Jahre zuvor in einer Volksabstimmung abgelehnten, von der SPÖ aber nicht aufgegebenen) Inbetriebnahme des Atomkraftwerks in Zwentendorf.

Das Kraftwerk Hainburg war auch deswegen zum Symbol geworden: Wenn das nicht gebaut werden könnte, dann würde in der Republik bald nichts mehr gehen, fürchtete der damalige Bundeskanzler Fred Sinowatz (SPÖ) - dem der damalige Präsident der Journalistengewerkschaft Günther Nenning gern entgegenhielt, dass die Republik ja keine Baufirma sei. Mehr hat er nicht gebraucht: Er wurde aus Gewerkschaft und SPÖ ausgeschlossen.

Rechtswidriges Behördenverfahren

In einem langwierigen - und wie sich später herausstellte: rechtswidrigen - Behördenverfahren war das Großkraftwerk mitten im vom internationalen Ramsar-Abkommen geschützten Augebiet bei Stopfenreuth geplant und genehmigt worden. Die Donau sollte über mehrere Kilometer umgeleitet und das zerstörte Ökosystem in gewohnter Weise behübscht werden.

Die damalige Umweltbewegung war alarmiert - und alles fokussierte sich auf das Alternativreferat der Hochschülerschaft, wo ein gewisser Gerhard Heilingbrunner gemeinsam mit Manfred Rosenberger den Sternmarsch am Mariä-Empfängnis-Fest organisierte. Dass man die Demo "mit offenem Ende" angemeldet hatte, um der Besetzung der Au einen legalen Anstrich zu geben, war von der Polizei so hingenommen worden.

Jetzt sind also die Besetzer von damals wieder da, tauschen Erfahrungen aus. Rosenberger ist inzwischen Nationalparkranger, er führt die Au-Veteranen zum "Lager 6", einem Camp, das die vom Naturschutz begeisterten Studenten in den kalten Dezembertagen 1984 eingerichtet hatten. Mehr als eine Wiese ist nicht zu sehen.

Der Natur ihren Lauf lassen

Es sei denn, man schaut genauer: Es stehen heute weniger alte Bäume herum - man hat standortfremde Gehölzer aus dem 1996 geschaffenen Nationalpark entfernt, lässt dafür der Natur ihren Lauf; soweit das angesichts der stetigen Eintiefung der Donau möglich ist.

Die Auschützer von damals versuchen, Bilanz zu ziehen. Heilingbrunner, jetzt Ehrenpräsident des Umweltdachverbands, konzediert, dass es immerhin einige Fortschritte in der Umweltpolitik gegeben hat: In den ersten eineinhalb Jahrzehnten "nach Hainburg" wurden Nationalparks geschaffen, das Umweltbundesamt gegründet, die Landwirtschaft ökologisiert. Andererseits zeige gerade das aktuelle Beispiel der HCB-Vergiftungen im Kärntner Görtschitztal, dass der Umweltminister das Umweltkontrollgesetz nicht vollziehe - und dass die Umwelt noch längst nicht intakt sei. (Conrad Seidl, DER STANDARD, 9.12.2014)