ÖAW-Präsident Anton Zeilinger unterstützt die Geisteswissenschaften beim Weg ins digitale Zeitalter.

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Wien - Es tut sich was in den heimischen Geisteswissenschaften. An der Österreichischen Akademie der Wissenschaften (ÖAW) wurde 2014 einem schon länger währenden internationalen Trend folgend ein "Zentrum für Digitale Geisteswissenschaften" gegründet (der Standard berichtete). Hier werden gleich zwei Infrastrukturprojekte der EU-Kommission koordiniert: DARIAH (Digital Research Infrastructure for the Arts and Humanities) und CLARIN (Common Language Resources and Technology Infrastructure). Es geht dabei um die verstärkte europäische Vernetzung von Infrastrukturen und der europäischen Forschungscommunity.

Call entschieden

Im Zeitraum 2014 bis 2017 stehen in Summe 1,6 Millionen Euro zur Verfügung. Auch aktuelle Ausschreibungen befassen sich mit den Digitalen Geisteswissenschaften: Der mit 600.000 Euro dotierte "go!digital"-Call, dessen Schwerpunkt auf innovativen Analysemethoden liegt, wurde bereits entschieden.

Fünf Projekte werden nach Entscheidung einer internationalen Jury gefördert; "Travel!digital - Exploring People and Monuments in Baedeker Guidebooks" beschäftigt sich mit dem kulturellen Erbe durch Reiseführer des 19. Jahrhunderts. Dabei wird vom Institut für Corpuslinguistik und Texttechnologie der Österreichischen Akademie der Wissenschaften ein Schwerpunkt auf die Hauptdarsteller in den Baedekern gelegt: Menschen und Baudenkmäler.

Alpen und Worte

"Alpenwort. Korpus der Zeitschrift des Deutschen und Österreichischen Alpenvereins" des Instituts für Sprachen und Literaturen an der Universität Innsbruck will die Zeitschrift des Alpenvereins digitalisieren und mit linguistischer Annotation versehen. Die Wissenschafter wollen auf dieser Basis unter anderem eine feministische Diskursanalyse durchführen und die Rhetorik des Alpinismus beleuchten.

Der politische Konflikt in der mittelalterlichen Gesellschaft steht im Zentrum des Projekts "Mapping Medieval Conflicts: a digital approach towards political dynamics in the pre-modern period" des Instituts für Mittelalterforschung der ÖAW.

Die Wissenschafter wollen die netzwerkartige Strukturierung durch moderne Software nicht nur als Instrument für die Organisation der Daten, sondern als Werkzeug für die Rekonstruktion und Analyse sozialer Verflechtungen der Vergangenheit verwenden.

Das Institut für Kunstgeschichte der Universität Graz war mit "Renaissance Architecture" erfolgreich. Hier beschäftigt man sich mit dem Architekturhistoriker Heinrich von Geymüller (1839-1909), der als zentrale Figur bei der Erforschung der Architektur der Renaissance gilt. Die Digitalisierung seiner Arbeiten ist das Projektziel.

Getrennte Nachbarn

Eine digitale Vernetzung bisher getrennter, unabhängiger Forschungsarbeiten und ihrer Ergebnisse hat das Projekt "Digitizing Early Farming Cultures" des Instituts für Orientalische und Europäische Archäologie der ÖAW zum Ziel. Griechenland und Westanatolien sind zwar benachbarte und archäologisch eng verwandte Regionen. Die getrennten Forschungen führten aber zur Entwicklung von unterschiedlichen Terminologien und Chronologie-Systemen. Forschungsfragen, die das gesamte Gebiet betreffen, waren bisher nur sehr schwierig zu beantworten. (red, DER STANDARD, 10.12.2014)