Bild nicht mehr verfügbar.

Paris krempelt seine Wirtschaftspolitik um: Neue Wirtschaftsregeln sollen zu mehr Wachstum führen.

Foto: AP/Christophe Ena

Paris – Er ist erst 36 Jahre alt und noch nicht einmal vier Monate im Amt. Doch der französische Wirtschaftsminister Emmanuel Macron hat am Mittwoch das wichtigste Wirtschaftsgesetz seit Jahren präsentiert. Es enthält ein ganzes Paket an Maßnahmen:

Die Sonntagsarbeit soll an zwölf Wochenenden im Jahr zugelassen werden. "Internationale touristische Zonen" wie etwa die Pariser Prachtavenue Champs-Élysées sollen zudem sieben Tag pro Woche bis Mitternacht öffnen können.

Geschützte Berufe wie Notare, Magistraten oder Gerichtsdiener sollen für jüngere Berufseinsteiger geöffnet werden, um die Konkurrenz zu vergrößern und dadurch die Notarstarife zu senken, wie Macron sagte.

Die Fernbusse sollen liberalisiert und einzelne Flughäfen wie etwa in Paris oder Nizza privatisiert werden, nachdem kürzlich schon der Flughafen von Toulouse unter chinesische Kontrolle geraten ist.

Sozialpolitisches Dynamit

Auch andere Neuerungen haben laut Macron das Ziel, die Wirtschaft zu "entriegeln" und die Konjunktur anzukurbeln. Sie bergen so viel sozialpolitisches Dynamit, dass Pariser Medien fragen, ob der sozialistische Minister und Ex-Banker nun "mutig oder naiv" sei. Auf jeden Fall lassen die Proteste von links wie rechts nicht auf sich warten.

Am Mittwochnachmittag, kaum zwei Stunden nach Macrons Präsentation, gingen in Paris die Notare und andere Juristen auf die Straße. Die eher konservativen Berufe fürchten um ihre Pfründen: Ein junger Notarsaspirant muss einem bestehende Platzhirsch oft eine horrende Summe entrichten, um in dessen Kabinett aufgenommen zu werden, das ein Lokalmonopol geniesst. Der französische Staatsrat hat sich bereits schützend hinter die Notarszunft gestellt und erklärt, er werde das Gesetz für verfassungswidrig erklären, wenn es die "erworbenen Rechte" der Betroffenen nicht schütze. Macron wird damit indirekt nahegelegt, das Gesetz bis zur Parlamentsdebatte im Jänner zu entschärfen.

Zwei Gehirne

Mindestens so gefährlich für das "Macron-Gesetz", wie es inoffiziell bereits heißt, sind die Einwände aus dem eigenen Lager. Der Sozialist Benoît Hamon erklärte, angesichts des Auseinanderklaffens von linken Worten und liberalen Taten müssten seine Parteifreunde "heutzutage zwei Gehirne aufweisen". Auch andere Abgeordnete des linken Parteiflügels wollen dem Gesetz die Gefolgschaft verweigern. Das wäre sein Todesurteil, denn Macrons Parti Socialiste (PS) hat in der Nationalversammlung nur eine hauchdünne Mehrheit.

Macron wird deshalb Abstriche machen müssen. Bis jetzt bleibt unklar, ob das Entlassungsrecht wie geplant gelockert wird. Macron will den Firmen das Recht verleihen, die Kündigungsregeln zum Teil selbst im Voraus festzulegen. Auch das zentrale Kriterium der "wirtschaftlichen Entlassung" will er erweitern: Es soll gelten, wenn das Zweigunternehmen schlecht dasteht, und nicht nur wie heute, wenn der ganze Mutterkonzern rote Zahlen schreibt.

Sieben statt zwölf

Bei der Sonntagsarbeit erklärte PS-Sekretär Jean-Christophe Cambadélis kompromissbereit, er könnte mit sieben – statt zwölf – Arbeitssonntagen leben. Eine Parteikommission unter Führung von Karine Berger wendet allerdings ein, in Deutschland gebe es auch keine Sonntagsarbeit. Die linke Ökonomin orientiert sich auch sonst an deutschen Modellen und empfiehlt Frankreich einen vergleichbaren Schutz von Kleinunternehmern, die die Aktienmehrheit ihres Unternehmens verlieren. Macron will jedoch die Aktionärsrechte stärken.

Wenn die Parteilinke immer wieder deutsche Regelungen anführt, will sie damit auch dem "germanophilen" – laut Gegnern "deutschhörigen" – Macron den Wind aus den Segeln nehmen. Viele werfen dem neuen Starminister vor, sein neues Gesetzespaket gehe überhaupt nur auf deutschen Druck zurück: Es sei der Preis dafür, dass Berlin das neue Budgetdefizit Frankreichs abgesegnet habe. (Stefan Brändle, DER STANDARD, 10.12.2014)