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Trotz Baustelle war der Weg zum Berater in Luxemburg geebnet.

EPA/Nicolas Bouvy

Wien – Es gibt wohl nur wenige Menschen, die professionelle Steuertrickser in Europa derart fürchten wie Margaret Hodge. Dabei ist die Labour-Abgeordnete nur die Vorsitzende eines auf den ersten Blick wenig spektakulären Ausschusses im britischen Parlament. Die 70-Jährige leitet das Public Accounts Committee, das Staatsausgaben und Steuereinnahmen überwachen soll.

In den vergangenen Jahren hat sich das Komitee verstärkt Konzernen und ihren Steueroptimierungsstrategien zugewandt. Manager von Google, Amazon und Starbucks wurden von den Abgeordneten ebenso vorgeladen wie Vertreter britischer Steuerbehörden. Wer in den grauen Hinterzimmern aussagen muss, in dem das Komitee tagt, bekommt es mit gut vorbereiteten Abgeordneten zu tun, die beharrlich nachfragen. Nicht selten wird deshalb hart gestritten, Hodges "Verhör" des Google-Managers Matt Brittin, bei dem sie ein Dutzend Mal nachhakte, was denn Google nun auf den Bermudas zu suchen habe, gilt heute als legendär.

Gegrillt und gelogen

Derzeit wendet sich die Abgeordnete einem neuen Ziel zu: internationalen Beratungsunternehmen. Anfang der Woche grillte das Komitee Kevin Nicholson, den Chef der Steuerabteilung bei PricewaterhouseCoopers (PwC) in Großbritannien. Schon Hodges Einstiegsfrage war angriffig: "Haben Sie uns angelogen?"

Grund für die Attacke sind Enthüllungen des Lux-Leaks-Projekts über Steuervermeidungsstrategien in Luxemburg. Nach einer ersten Welle im November sind am Mittwoch neue Dokumente aufgetaucht. Sie zeigen, wie Konzerne über komplexe Konstruktionen hunderte Millionen Euro an Steuern gespart haben.

Die unter anderem von der "Süddeutschen" publizierten Materialien verdeutlichen, welche Modelle etwa der Telefondienst Skype und der Disneykonzern zur Abgabenoptimierung genutzt haben. Oft wurde die Steuerlast der Konzerne unter ein Prozent gedrückt. So soll etwa eine Disney-Bank auf mehr als einer Milliarde Euro Gewinn binnen fünf Jahren in Luxemburg nur 2,8 Millionen Euro Steuern bezahlt haben.

Fast immer bei der Schaffung solcher wohl legaler Konstruktionen dabei war PwC. Die von Lux-Leaks enthüllten Dokumente bestehen im Wesentlichen aus Vorabsprachen ("Tax Rulings") zwischen Firmen und Behörden in dem Land. Im Rahmen der ersten Welle an Veröffentlichungen waren es immer PwC-Experten, die Sonderkonstrukte für Coca-Cola, Amazon, Hutchison und Co entwickelten. Bei den nun veröffentlichten Papieren tauchen auch die Namen der anderen großen Beratungsunternehmen Deloitte, KPMG und Ernst & Young auf.

"Ist ja lächerlich"

Die beliebteste Strategie der Berater war der Kredittrick: Ein Konzern nimmt dabei ein Darlehen von einer Tochtergesellschaft in Luxemburg auf. Die Rückzahlung dieses Darlehens schmälert laufend den Firmengewinn. Gleichzeitig werden die Einnahmen in Luxemburg nicht versteuert.

Die Lux-Leaks-Dokumente würden zeigen, dass PwC solche Modelle professionell vermarktet habe, um willige Unternehmer zu ködern, sagte die Labour-Abgeordnete Hodge bei der Anhörung. PwC habe den Kredittrick ausgearbeitet und sich dann von den Behörden im Fürstentum das Okay geholt. Nicholson wehrte sich zwar, konnte aber nicht erklären, warum seine Berater Firmen nach Luxemburg schicken, wenn nicht um Steuern zu sparen. Das empörte die Abgeordneten erst recht, es kam zu lauten Wortduellen mit dem PwC-Mann ("Ihre Argumentation ist ja lächerlich").

Zunehmend unter Druck gerät in der Sache aber auch EU-Kommissionschef Jean-Claude Juncker, in dessen Amtszeit als Premier in Luxemburg die nun publizierten Tax-Rulings fallen. Juncker sprach sich in der "Frankfurter Allgemeinen" dafür aus, die Rulings in einem EU-Land automatisch allen anderen Staaten zur Verfügung zu stellen. Damit soll Transparenz geschaffen werden. Markus Meinzer, Experte beim Tax Justice Network, dazu: "Das wäre nicht verkehrt. Das Problem der Hinterziehung löst man damit aber nicht." Ein wirklich effektiver Schritt wäre laut Meinzer, wenn Unternehmen dazu verpflichtet werden, in jedem Land öffentlich bekanntzugeben, wie viele Steuern sie bezahlt haben. (András Szigetvari, DER STANDARD, 11.12.2014)