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San Diego/Wien – Die ersten von ihnen wurden erst vor zwölf Jahren entdeckt und galten sofort als Kuriositäten der Evolution: Die Vertreter der Gattung Osedax leben in der Tiefsee und ernähren sich vor allem von den Knochen toter Wale. Bisher sind nur wenige Fundorte bekannt, einer liegt vor der Küste Kaliforniens. Die Nahrung nehmen die auch als "Zombiewürmer" bezeichneten Tiere mit dem Fuß auf, da sie weder Augen, Magen noch eine Mundöffnung besitzen. Verdaut werden die Walfette und -öle mit Hilfe von Bakterien. Eine weitere Besonderheit der Gattung ist der extreme Geschlechtsdimorphismus: Die Weibchen der bisher bekannten Arten sind rund zwei Zentimeter groß und beherbergen in ihrem Körper bis zu 100 mehr als 10.000 Mal kleinere Männchen im Larvenstadium.

Im Bild: Die Spezies Osedax frankpressi (hier ein weibliches Exemplar) wurde 2004 erstmals wissenschaftlich beschrieben.

Foto: AP Photo/Greg Rouse, Science

Nun entdeckten Forscher um den weltweit führenden Osedax-Experten Greg Rouse (Scripps Institution for Oceanography in San Diego) vor der Küste Kaliforniens in 700 Metern Tiefe eine besonders bizarre Spezies der Knochenfresser, die sie dieser Tage im Fachblatt "Current Biology" vorstellten. Bei der neuen Osedax-Art sind die Männchen gleich groß wie die Weibchen, was extrem unerwartet kommt, da die dafür nötigen Gene eigentlich längst verschwunden sein müssten. Wie es zu diesem evolutionsbiologisch extrem unwahrscheinlichen Fall gekommen ist, fasziniert die Biologen und gibt ihnen Rätsel auf. Das ist aber noch lange nicht alles: Der neue Zombiewurm ernährt sich neben Knochen von toten Walen und Robben auch von Artgenossen. Am bizarrsten ist aber wohl der Körperbau der Männchen, der nicht umsonst etwas Phallisches hat.

Im Bild: Ein männlicher "Zombiewurm" der neu entdeckten Spezies (Vergleichsmaß: 0,3 Millimeter).

Foto: Greg Rouse

Im Grunde existiert der gesamte Körper des männlichen Wurms nur zur Fortpflanzung, erklärt Entdecker Greg Rouse. Der Grund für die anatomische Einzigartigkeit: Da die Tiere nicht als Minimännchen im Körperinnern der Weibchen leben, sondern selbst "als Erwachsene" am Walknochen festwachsen, müssen sie die Weibchen zur Vermehrung auf anderem Wege erreichen. Das tun sie, indem sie ihre Größe im Vergleich zum Normalzustand um das Zehnfache ausdehnen können. Deshalb wurde die neue Spezies auch Osedax priapus getauft, benannt nach dem griechischen Gott der Fruchtbarkeit, der stets mit einem gewaltigen Glied dargestellt wurde. (tasch, DER STANDARD, 13.12.2014)

Im Bild: Schematische Darstellung der seltsamen Anatomie eines männlichen Vertreters von Osedax priapus, dessen Körper ganz auf Sex ausgerichtet ist.

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Abstract
Current Biology: "A Dwarf Male Reversal in Bone-Eating Worms"

Grafik: Adi Khen