Italien ist ein streikfreudiges Land. Die Statistik weist für das laufende Jahr 1300 Streiks in 345 Tagen aus - völlig normal. Und dass die Ausstände meist ans Wochenende grenzen oder an Fenstertagen stattfinden, trägt zu deren Popularität bei. Viele Gewerkschaftsvertreter fragen auch nicht jedes Mal von neuem um ein Placet der Arbeitnehmer für einen Streik an, sondern lassen sich eine Art Blankoscheck ausstellen: Wähle zehn Streiktage pro Jahr je nach Notwendigkeit und Belieben.

Böse Zungen behaupten gerne, Italiens Gewerkschaften seien im ideologischen Klassenkampf früherer Jahrhunderte hängengeblieben. Tatsächlich wirken sie unzeitgemäß: So ist die von der Regierung betriebene Abschaffung des De-facto-Kündigungsschutzes in Betrieben mit mehr als 15 Arbeitnehmern tatsächlich unumgänglich, so schmerzhaft das auch ist und so unfair das auch scheinen mag. Denn Italiens Arbeitnehmer benötigen zukunftsgerichtete Reformen, nicht aber die Bewahrung eines Status quo, der die Attraktivität des Produktionsstandortes Italien untergräbt.

Es ist hoch an der Zeit, dass die Gewerkschaften ihre Politik zur Bestandswahrung überdenken, die nur älteren Arbeitnehmern hilft. Das viel größere Problem ist jenes der Jugendarbeitslosigkeit, die sich langsam, aber sicher der 50-Prozent-Marke (!) nähert. Den Jungen ist mit der bisherigen Streikdoktrin nicht geholfen, denn oft bekommen sie nicht einmal die Chance, am Arbeitsmarkt teilzuhaben. (Gianluca Wallisch, DER STANDARD, 13.12.2014)