Gemeinsam mit dem Trainer wird der Schwimmstil analysiert – für Profis ideal, für Anfänger vielleicht übertrieben.

Foto: mza

Schwimmen und dabei von vier verschiedenen Kameras gefilmt werden: Was komisch klingt, fühlt sich auch komisch an, heißt Schwimmanalyse und wird im Medizinzentrum Alser Straße (mza) angeboten. Vom Hobbysportler, der in der turbinenbetriebenen Gegenstromanlage Schwimmen lernen will, bis hin zum Triathleten wird dieses Angebot in Anspruch genommen, sagt der Sportwissenschafter und Schwimmtrainer Gerald Riedmüller.

Die erste Überwindung des Tages: um neun Uhr morgens in das kleine Becken hineinzuklettern. Wie ein Aquarium schaut es aus, ist seitlich einsehbar und harmlose 1,20 Meter tief. Um zu beweisen, dass – anders als in vielen öffentlichen Schwimmbädern – nicht zu viel Chlor verwendet wird, nimmt Riedmüller gleich selbst einen tiefen Schluck aus dem Wasser. Die erste Anweisung: einfach schwimmen. Das schaut am Flachbildfernseher schräg über dem Becken dann so aus wie bei den meisten Österreichern: Der Kopf wird krampfhaft über Wasser gehalten, die Tempi werden gehetzt durchgeführt, der Körper hängt fast senkrecht im Wasser.

So wird das zumindest von Riedmüller berichtet. Für den Laien erinnert die Aufnahme von oben eher an einen ertrinkenden, wild strampelnden Hund, von der Seite sieht es aus wie ein Walross, das sich in Zeitlupe gegen den Strom schiebt.

Im nächsten Versuch gibt es Tipps vom Trainer: Die Tempi müssen langsamer gemacht, die Gleitphasen verlängert werden, der Körper soll mehr im Wasser liegen, die Beine sollen nach außen gedreht werden, um den Scherenbeinschlag – häufigster Fehler beim Brustschwimmen – zu vermeiden. Der Kopf muss beim Brustschwimmen außerdem untertauchen, da andernfalls die Nackenmuskulatur belastet wird – Verspannungen können die Folge sein. Die Angst vor roten Augen zählt nicht: Riedmüller reicht eine Schwimmbrille.

Tröstende Worte

Peter Schober, Vizepräsident der Österreichischen Gesellschaft für Sportmedizin und Prävention und Leiter der Sportmedizinischen Untersuchungsstelle des Landes Steiermark, findet tröstende Worte: "Ich finde nicht, dass Otto Normalverbraucher perfekt schwimmen können muss." Denn es gehe darum, dass der Bevölkerung Bewegung Spaß macht: "Wenn jemand schwimmen will, dann ist das immer besser, als wenn er zu Hause auf dem Sofa sitzt."

Denn Schwimmen ist definitiv gesund, die Liste der Benefits lang: Im Wasser wiegen wir nur ein Siebtel von dem, was wir am Land auf die Waage bringen, der Auftrieb schont die Gelenke, die Durchblutung wird angeregt, das Herz-Kreislauf-System trainiert. "Beim Schwimmen werden so gut wie alle Muskelgruppen beansprucht, was den Körper gleichmäßig stärkt", kommt Schober ins Schwärmen. Durch den Druck vom Wasser auf die Muskulatur wird außerdem eine Lymphdrainage durchgeführt und – sofern das Wasser nicht zu warm ist – die Fettverbrennung angekurbelt.

Die gute Nachricht: Für wenig Ambitionierte reicht es schon, wenn im Wasser lediglich geplanscht wird – was, wie ein Blick in die öffentlichen Bäder beweist, ohnehin die Lieblingsbeschäftigung der Österreicher ist: "Die Leute machen fünf bis sechs Tempi und halten sich dann am Beckenrand fest", sagt Schober. Wer nicht gut schwimmen kann, dem rät er zum Jogging im Wasser mit Aquagurt: "Das wird in meinen Augen viel zu wenig genutzt", sagt er. Das Image dieses "Schwimmreifens" sei nicht das beste.

Koordinative Herausforderung

Zurück ins Becken: Trainer Riedmüller schaut bei den Brustschwimmversuchen und dem Kampf mit Gegenstromanlage und richtiger Atmung zu. So professionell, wie es sich nach den ersten Versuchen nun stellenweise schon anfühlt, sieht es leider im Video danach nicht aus. "Das Brustschwimmen ist eine koordinativ aufwändige Schwimmweise", sagt Schober, Kinder könnten die Technik frühestens mit fünf Jahren beherrschen.

Und sie ist nicht für jeden geeignet: "Dabei werden die inneren Gelenks- und Meniskuspartien belastet. Wer dort ein Problem hat, heizt sich das mit dem Brustschwimmen an." Am gesündesten ist ohnehin das Rückenschwimmen, sagt Schober. Fehler könne man hier - von einem unerwünschten Aufeinandertreffen mit Mitschwimmern oder Beckenrand abgesehen - eigentlich nicht machen.

Schwimmtrainer Riedmüller findet den Kraulstil am schonendsten für den Körper: "Aber das muss wirklich gelernt sein." Und das kommt oft zu kurz: Während in anderen Ländern Kindern zuerst das Kraulen beigebracht wird, steht hierzulande das Brustschwimmen ganz am Anfang. Aus Tradition, wie Schober glaubt: Früher wurden Schwimmanfänger an einer langen Stange mit Schlaufe befestigt – und dabei wurde immer nur das Brustschwimmen beigebracht. Dabei ist jene Paddelbewegung, die kleine Kinder beim Planschen im Wasser machen, jener des Kraulens viel ähnlicher.

Keine Ausreden

Schwimmen ist für alle Menschen empfehlenswert, sind sich die Experten einig – mit einer Ausnahme: " Alles was mit Höhe oder möglicher Tiefe zu tun hat, ist für Epileptiker nicht ideal", sagt Schober. Ausreden lässt er ansonsten nicht gelten – etwa, dass das Chlor die Atemwege reizt: Das Chlor sei möglicherweise für Profischwimmer problematisch, weil die Dämpfe das Risiko von Asthma erhöhen – nicht aber für Hobbyathleten, die einige Stunden pro Woche schwimmen. Gegen trockene Haut nach dem Schwimmen hilft außerdem Eincremen.

Auf DVD gebrannt können die Schwimmversuche im Medizinzentrum Alser Straße am Ende mit nach Hause genommen werden und dort zur Verbesserung der Technik – und der Erheiterung von Freunden und Familie – immer wieder angeschaut werden. Empfehlenswert ist so eine Schwimmanalyse sicher für Profis, für mehr oder weniger talentierte Freizeitschwimmer ist die Analyse aber wohl etwas übertrieben – und ziemlich teuer obendrein. Am Ende hat tatsächlich jeder Schwimmstil seine Vorteile, tröstet Schober: "Wenn jemand unökonomisch schwimmt, dann verbraucht er in Relation sogar mehr Kalorien – das ist ja auch ein Benefit." (Franziska Zoidl, derStandard.at)