Ein Wolkenbett, das Adolf Loos 1902 für seine Ehefrau Lina Obertimpfler entworfen hat: In der Ausstellung "Wege der Moderne" im Mak kann man sich inspirieren lassen.


Foto: Birgit und Peter Kainz

Wien - "Liebe Freunde, ich will euch ein Geheimnis verraten", schrieb Adolf Loos in einem Essay in der Neuen Wirtschaft am 14. Februar 1924. "Nur die Möbel, die mobil sind, können modern sein. Alle anderen Möbel, die fix an der Wand stehen, also nicht mobil sind, also auch keine richtigen Möbel sind, wie Truhe und Schrank, Glaskasten und Büfett, gibt es heute überhaupt nicht mehr."

Mit seiner eigenen Wohnung jedoch nahm es der insgesamt viermal verheiratete Wiener Architekt nicht so streng. In seinem Schlafzimmer, das er 1902 für sich und seine Kurzzeitgattin Lina Obertimpfler plante, gab es keinen einzigen mobilen Einrichtungsgegenstand. Stattdessen war die Schlafstatt in einen wolkenanmutenden Kokon aus Filz und Fell und weiß gerüschtem Stoff gehüllt. "Schlafzimmer Lina. Das werden wir wieder machen. Weiße Angorafelle am Boden", ist auf einer Bleistiftskizze auf kariertem Papier zu lesen.

Das haarige Schlafgemach in der heutigen Bösendorferstraße, das Loos bis zu seinem Tod 1933 bewohnte, ist längst Geschichte. Seit heute, Mittwoch, ist im Wiener Museum für angewandte Kunst (Mak) eine Rekonstruktion zu sehen. Der rund 50.000 Euro teure Raumnachbau von Hubmann Vass Architekten - "das ist die vielleicht radikalste Manifestation des Raumgedankens ohne schweres Mobiliar, den Adolf Loos je realisiert hat" (Andreas Vass) - ist eines der zentralen Exponate der Ausstellung Wege der Moderne. Josef Hoffmann, Adolf Loos und die Folgen.

Und davon gibt es eine Menge. Unter den insgesamt 600 Exponaten befinden sich über 200 Leihgaben. Mehr als nur einen Überblick über Möbel und Artefakte der damaligen Zeit jedoch bietet die Ausstellung, an der die beiden Kuratoren Christian Witt-Döring und Matthias Boeckl zweieinhalb Jahre gearbeitet haben, einen analytischen Blick auf die Moderne, der in dieser Form einzigartig ist.

Lebensstil für die Masse

Gezeigt wird ein umfassendes Grundverständnis von Kunst, Architektur, Design und Kunstgewerbe, das in einen großen zeitlichen Kontext vom Bau der Wiener Ringstraße über Jugendstil und Wiener Werkstätte bis zur Gegenwart eingebettet wird. Man versteht die Zusammenhänge.

"Das zentrale Thema der Moderne war, dem Individuum eine Stimme zu geben", erklärt Witt-Dörring, "und zwar, indem man Schönheit und Lebensstil über Kunsthandwerk und Industrialisierung erstmals einer breiten Masse zugänglich gemacht hat. Geschichte und Ästhetik - das ist in der Moderne nicht nur ein elitärer Herrschaftsanspruch, sondern ein breites Mittel für den mündigen Konsumenten."

Gänzlich unterschiedlich sind die beiden Positionen von Adolf Loos und Josef Hoffmann. Während der eine eher auf die Kraft des künstlerisch Durchkomponierten und des handwerklich perfekt Gefertigten setzt, befasst sich der andere mit der Evolution, Emanzipation und Demokratisierung von Architektur und Lebensraumgestaltung an und für sich. Es geht um Gebrauchsgegenstände, die keinerlei künstlerischer Neugestaltung bedürfen. Wie treffend, dass am Ende der Schau, als wollte man den eigentlichen Gedanken der Ausstellung nochmal auf ein Minimum eindampfen, Marcel Duchamps Readymade Flaschentrockner (1914) auf einem Sockel steht.

"Das Thema der Moderne, als es erstmals gelungen ist, neue, bürgerlichere Käuferschichten zu erschließen, ist aktueller denn je", meint Christoph Thun-Hohenstein, Direktor des Mak, das heuer sein 150-Jahr-Jubiläum feiert. "Auch damals sah man sich bereits mit der Gefahr von Billig- und Schleuderware konfrontiert, auch damals gab es bereits den Wunsch nach Langlebigkeit und hochwertiger Qualität." Im Mak kann man sich ein Bild davon machen, mit welcher Ernsthaftigkeit dieser Anspruch umgesetzt wurde. Man fühlt sich wie in einer Zeitmaschine. (Wojciech Czaja, DER STANDARD, 17.12.2014)