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Viele Russen zieht es derzeit in Elektronikmärkte, Möbelgeschäfte oder sogar Autohäuser, wo sie ihre Ersparnisse loswerden wollen, bevor die Preise weiter explodieren.

Foto: Reuters/Maxim Zmeyev

Mit einer drastischen Zinserhöhung versuchte die russische Zentralbank in der Nacht zum Dienstag die bröckelnde Rubelfront zu stützen. Von 10,5 auf 17 Prozent wurde der Leitzinssatz angehoben. Die Maßnahme wirkte - für elf Minuten. Tatsächlich konnte der Rubel zu Handelsbeginn einen Teil der montäglichen Verluste wettmachen. Dann setzten Dollar und Euro zum Gegenangriff an und vertrieben die russische Landeswährung aus den anfangs gewonnenen Positionen. Gegen Mittag entwickelte sich aus dem geordneten Rückzug eine panische Flucht aller Rubelanleger.

Im Minutentakt verlor der Rubel an Wert, bis der Euro schließlich an der Moskauer Börse die Marke von 100 Rubel knackte, der Dollar kostete mehr als 80 Rubel. Eine Bank in Murmansk verlangte von ihren Klienten gar 150 Rubel für den Euro.

Erst am Abend wurde offenbar die Zentralbank aktiv, so dass der Rubel zumindest einen Teil der Verluste aufholte. Zusammen mit dem Rubel ging auch die Moskauer Börse in die Knie. Der Index RTS sackte auf unter 600 Punkte ab - ein Stand, den er zuletzt während der Krise 2008 innehatte. Unter den Verlierern auch die Sberbank und Gasprom. Die russische Presse hatte berichtet, die Sberbank stelle die Kreditvergabe an die Bevölkerung ein und Gasprom baue ein Viertel seines Personals ab. Beide Konzerne dementierten später die Panikmeldungen.

Lage ist kritisch

Während Präsident Wladimir Putin keine Reaktion auf die Notlage zeigte, rief Premier Dmitri Medwedew eine Dringlichkeitssitzung der Regierung ein. "Die Situation ist kritisch. Das, was passiert, wäre uns vor einem Jahr nicht einmal im Albtraum eingefallen", bekannte auch Zentralbankvize Sergej Schwezow. Die Zentralbank müsse derzeit fremde Fehler ausbaden, klagte er.

Die Kritik an der Notenbank ist gewaltig und sie kommt von allen Seiten: Der Wirtschaftsexperte Jewgeni Jassin sagte, die Aktionen der Bank seien zwar prinzipiell richtig, kämen aber immer verspätet und würden dem Markt damit keine Orientierung geben.

Die Kommunistenfraktion forderte die Vorladung der Zentralbank-Chefin Elvira Nabiullina, andere Abgeordnete gleich ihren Rücktritt. Das Verhalten sei "schizophren", kritisierte die Vizechefin des Haushaltsausschusses Oxanna Dmitrijewa: Auf der einen Seite werde der Leitzins erhöht, auf der anderen Seite die Kreditvergabe an die Banken erhöht.

Umstrittene Strategie

Der Politologe und Rosneft-Pressechef Michail Leontjew ätzte, die Zentralbank habe sich mit der Zinserhöhung dazu entschlossen, die russische Wirtschaft mit einem Schuss zu erlegen, damit sie sich nicht lange quälen müsse. Freilich ist Rosneft selbst ebenfalls ins Kreuzfeuer der Kritik geraten. Der Staatskonzern hatte vor wenigen Tagen eine riesige Finanzspritze erhalten und Anleihen über 625 Milliarden Rubel platziert. Es gibt Spekulationen, dass das Geld über Insider auf dem Devisenmarkt gelandet ist und somit zum Einbruch des Rubels geführt habe.

Konzernchef Igor Setschin nannte die Gerüchte "Provokation". Rosneft habe im Gegenteil heuer 75 Milliarden Dollar aus seinen Valutaeinnahmen verkauft, betonte er. Das Misstrauen dürfte aber in den nächsten Tagen zu weiteren Verkäufen führen. (André Ballin aus Moskau, DER STANDARD, 17.12.2014)