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Infraschallwellen tiefer Frequenzen, wie sie etwa von Tornados verursacht werden, breiten sich über große Entfernungen aus.

Foto: AP/Eric Anderson

Berkeley/Wien – Die Entdeckung war reiner Zufall: Eigentlich wollten die Forscher um Henry Streby von der University of California in Berkeley testen, ob Goldflügel-Waldsänger (Vermivora chrysoptera)mit ihrem geringen Gewicht von nur wenigen Gramm GPS-Sender tragen können. Wie sich zeigte, sind die Vögel nicht nur dem technologischen Gepäck gewachsen, sondern verfügen auch noch über ganz andere Fähigkeiten.

Zur Überraschung der Forscher verließ die Population nämlich plötzlich ihre Brutstätte im Osten Tennessees, zu der sie gerade erst gewandert war. Und zwar exakt zwei Tage, bevor ein schwerer Sturm mit insgesamt 84 Tornados die Südostküste der USA traf und 35 Menschen das Leben kostete.

Die Vögel legten binnen fünf Tagen 1.500 Kilometer zurück und wichen der Gefahr aus, ehe sie sich schließlich an der Küste des Golfs von Mexiko niederließen. "Das Erstaunliche dabei ist, dass die Vögel schon lange vor der Ankunft des Sturms aufbrachen", so Streby . "Zur gleichen Zeit, als Meteorologen den Verlauf des Sturms prognostizierten, machten sich die Vögel schon bereit, das Gebiet zu verlassen." Zu jener Zeit sei der Sturm noch 400 bis 900 Kilometer von den Brutstätten entfernt gewesen und habe dort noch keine Veränderungen von Luftdruck, Temperatur oder Windgeschwindigkeit verursacht.

Akustisches Warnsystem

Die Forscher vermuten in "Current Biology", dass die Tiere frühzeitig auf den Infraschall des herannahenden Unwetters reagierten. "Es ist schon lange bekannt, dass schwere, Stürme starke, weitreichende Infraschallwellen erzeugen", so Streby. Dass Vögel, die die Infraschallfrequenz unterhalb von 16 bis20 Hz im Gegensatz zu Menschen wahrnehmen, diese auch als Wetterwarnsystem nutzen, sei allerdings neu. Die akustische Wahrnehmung könnte für Vögel bei der Einschätzung ihrer Umgebung generell wichtiger sein, als bislang angenommen.

Zugvögel ändern zwar häufig ihre Routen, wenn es das Wetter erfordert. "Bis zu unserer Studie wurde allerdings noch nie beobachtet, dass Vögel ihre Brutgebiete wegen der Wetterbedingungen verlassen, wenn ihre Wanderung eigentlich schon abgeschlossen ist", so Streby. Gerade von Goldfügel-Waldsängern wisse man, dass sie eigentlich an Ort und Stelle bleiben, wenn sie einmal ihr Brutgebiet erreicht haben, um dort ihre Küken aufzuziehen.

In einem neuen Projekt will das Team nun Hunderte Waldsänger mit Peilsendern ausstatten, um herauszufinden, wo genau die Vögel den Winter verbringen und welche Route sie dahin und wieder zurück benutzen. " Wir hoffen nicht auf eine schwere Tornado-Saison, aber ich bin gespannt, welche unerwarteten Dinge wir dieses Mal beobachten", so Streby. (APA/red, derStandard.at, 18.12.2014)