Bild nicht mehr verfügbar.

Um sich auf kommende Hitzewellen vorbereiten zu können, haben ZAMG-Forscher ein Modell für die städtische Erwärmung in Wien geschaffen. Nun soll es für andere Metropolen angewendet werden.

Foto: EPA / Frank Rumpenhorst

Wien - Ein Rückblick: Gegen 14 Uhr scheint nichts mehr zu gehen. Die Sonne taucht Straßen und Plätze in ein gleißendes Licht, zwischen den Häusern steht die Luft. Das Thermometer zeigt 35 Grad im Schatten. Hochsommer in Wien. In den Beisln und Kaffeehäusern ist die Hitze natürlich Tagesgespräch - und der Auslöser schnell gefunden. Ja, die Erderwärmung. So ein Backofenwetter werde es nun in Zukunft wohl öfter geben. Besser, man kauft sich eine gescheite Klimaanlage. Im Winter dagegen dürften die Heizkosten sinken. Immerhin. Aber verwunderlich sei das alles nicht mehr. Auf Grönland und in der Antarktis schmilzt schließlich rapide das Eis. Da wird man auch in Wien nicht verschont bleiben.

Ganz so einfach ist es allerdings nicht. Gewiss, das Weltklima wandelt sich, die städtische Erhitzung jedoch ist kein neues Phänomen. Eine dichte Bebauung treibt die Temperaturen in die Höhe, sagt die Klimatologin Maja Zuvela-Aloise von der Zentralanstalt für Meteorologie und Geodynamik (ZAMG) in Wien, einer nachgeordneten Dienststelle des Wissenschaftsministeriums. "Höhere Gebäude speichern die Wärme für die Nacht." Abgesehen davon wird durch mehrstöckige Häuserblocks der Wind gebremst. Auch das behindert eine Abkühlung.

Klimaszenarien für die Zukunft

Wie stark die städtische Aufheizung auch in der Vergangenheit schon gewesen sein dürfte, hat Zuvela-Aloise zusammen mit einigen Kollegen für Wien ermittelt. Die Wissenschafter nutzten dazu eine vom ZAMG und dem Deutschen Wetterdienst entwickelte Methode, basierend auf dem urbanen Klimamodell MUKLIMO3. Dieses Simulationssystem ermöglicht das Kombinieren unterschiedlicher Faktoren wie Bebauungsdichte, Vegetation, Versiegelung, Landnutzung und dergleichen und berechnet deren gemeinsamen Einfluss auf das lokal vorherrschende Klima. So lassen sich auch historische Bedingungen rekonstruieren oder Szenarien für die Zukunft erstellen.

Um Wiens urbane Klimaentwicklung während der letzten zwei Jahrhunderte nachzuzeichnen, griff das Forscherteam unter anderem auf alte Militärkarten zurück. Letztere wurden im Zeitraum von 1764 bis 1787 im Rahmen einer großangelegten, ursprünglich von Kaiserin Maria Theresia angeordneten Vermessungskampagne erstellt. Die österreichische Kapitale war damals nicht viel größer als der jetzige erste Bezirk. Festungsanlagen umgaben die Innenstadt. Im Umland erstreckten sich Felder und Wiesen, die Donau floss noch unreguliert durch die Auwälder. Eine völlig andere Landschaft. Nur der Wienerwald ist weitgehend so geblieben, wie er war.

Zweiteiliges Bild

Die Modellierung des historischen Wiener Klimas zeigt interessanterweise ein zweigeteiltes Bild. Demnach sind die Temperaturen in den meisten Teilen des heutigen Stadtgebiets deutlich angestiegen - und zwar stärker als in angrenzenden ländlichen Regionen. Dieser Effekt ist somit unabhängig vom Klimawandel der vergangenen Jahrzehnte. An der Wetterstation Hohe Warte im 19. Bezirk ist die jährliche Anzahl der Sommertage mit Höchstwerten von 25 Grad Celsius oder mehr um durchschnittlich 11,7 Tage gestiegen. Für den ersten Bezirk ist die Erwärmung allerdings viel geringer ausgefallen. Der Modellrechnung zufolge dürfte es hier im Schnitt nur 2,7 Sommertage mehr pro Jahr geben. Mit anderen Worten: Im Umfeld von Stephansdom und Hofburg gab es auch früher schon reichlich Sommerhitze. Eine Folge der dichten Stadtbebauung. Der ehemalige Festungsring könnte diese Wirkung verstärkt haben.

Die Studie, deren Ergebnisse im Fachjournal Urban Climate (Band 10, Seite 490) veröffentlicht wurden, bieten einen guten Einblick in die Komplexität städtischer Klimamechanismen.

Die Erwärmung nimmt weiter zu, sagt Zuvela-Aloise. Nicht nur global, sondern auch durch lokale Veränderungen. "Es gibt einen Trend zur Verdichtung." In Wien werden immer mehr Innenhöfe zugebaut, und Grünflächen verschwinden. Grund seien die steigenden Grundstückspreise, aber auch der Wunsch nach mehr Energieeffizienz. Größere Gebäudekomplexe benötigen pro Quadratmeter meist weniger Beheizung als kleinere, frei stehende Häuser.

Urbane Erwärmung

Unabhängig davon lässt sich allerdings noch eine weitere Entwicklung beobachten: Der sogenannte großalpine Raum, und dazu gehört auch Wien, zeigt einen schnelleren Temperaturanstieg als der weltweite Durchschnitt. Diese Differenz beträgt mittlerweile 0,8 Grad, und die Erwärmung wird vermutlich weiter zunehmen. "In den Städten kann das eine stärkere Intensität haben", sagt Zuvela-Aloise. Die urbane Bevölkerung dürfte somit bald noch öfter ins Schwitzen geraten.

Um das Ausmaß der zukünftigen Erwärmung in anderen zentraleuropäischen Großstädten abschätzen zu können, haben die ZAMG-Forscher als Teil eines internationalen Expertenteams begonnen, das oben beschriebene Modellsystem für Bratislava, Brno, Kraków und Szeged anzuwenden. "So kann man sich besser vorbereiten", sagt Zuvela-Aloise. Es gebe nämlich diverse Möglichkeiten, den Problemen wirksam entgegenzutreten.

Neben kurzfristigen Maßnahmen wie einem Hitzewellen-Vorwarnsystem für medizinische Einrichtungen und besonders empfindliche Personen sollen die Städteplaner vor allem im Bereich Raumgestaltung tätig werden. "Grün- und Wasserflächen machen viel aus." Eigentlich ein logischer Ansatz, der in der Vergangenheit jedoch wenig Beachtung fand. Auch die Geometrie von Gebäuden spielt eine wichtige Rolle. Große, spiegelnde Fassaden zum Beispiel können eine angrenzende Straße schnell zur Gluthölle machen. "Es kommt darauf an, was man baut und wo." (Kurt de Swaaf, DER STANDARD, 24.12.2014)