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Der sinkende Ölpreis zieht Venezuelas Wirtschaft mit.

Foto: REUTERS/Carlos Garcia Rawlins/Files

Caracas - Venezuela ist ein reiches Land. Zumindest reich an Öl. Glaubt man den Statistiken aus Caracas, verfügt das OPEC-Mitglied über die größten nationalen Ölvorkommen der Welt. Das schwarze Gold garantiert der Staatskasse normalerweise üppige Einnahmen. Doch der Segen wird zum Fluch, wenn die Ölpreise wie derzeit im freien Fall sind.

Ratingagenturen sehen mit großer Skepsis auf Venezuela und halten sogar einen Zahlungsausfall für nicht ausgeschlossen. Die Zahlen sprechen für sich: Über 90 Prozent der Deviseneinnahmen erzielt das Land aus seinen Ölexporten, der Staatshaushalt speist sich zu mehr als 50 Prozent aus dem Ölgeschäft. Doch der Preis für jedes Barrel venezolanischen Öls sank zuletzt unaufhörlich.

Untere Ratingplätze

In der vorigen Woche registrierte der staatliche Öl-Multi PDVSA für das 159-Liter-Fass gerade einmal noch 51,26 Dollar - der niedrigste Stand seit Mai 2009 (48,73 Dollar). Im September hatte der Preis noch bei über 90 Dollar gelegen. Venezuelas linker Staatschef Nicolás Maduro räumte Einnahmeverluste von 35 bis 40 Prozent ein.

Bei Moody's und Standard & Poor's rangiert Venezuela auf den unteren Ratingplätzen. Die Kollegen bei Fitch senkten die Bonität des Landes vergangene Woche von "B" ("hochspekulativ") auf "CCC". Das heißt: Nur bei günstiger Entwicklung sind keine Zahlungsausfälle zu erwarten.

Und umgekehrt: Wenn es weiter so schlecht läuft, kann es zum sogenannten Default kommen. Die Aussichten sind nach Einschätzung der US-Ratingagentur nicht besonders rosig: "Fitch schätzt, dass die (venezolanische) Wirtschaft 2014 annähernd um 4,0 Prozent schrumpfen könnte und erwartet, dass Venezuela 2015 in der Rezession bleibt."

Fallende Einkünfte

2013 wurden die Einnahmen aus dem Ölgeschäft auf rund 75 Milliarden Dollar geschätzt. Da lagen die Barrel-Preise aber noch bei fast 100 Dollar. Wegen der fallenden Einkünfte fürchten viele Venezolaner um die Wohltaten der Sozialprogramme ("Misiones") - obwohl die Regierung versichert, dass das Geld für die Ärmsten nicht gestrichen werde.

Im für 2015 veranschlagten nationalen Budget von rund 118 Milliarden Dollar sind etwa 60 Prozent für den Sozialetat eingeplant. Die "Misiones" stellen unter anderem die medizinische Versorgung sicher, umfassen kostenfreie Bildungsangebote und stärken den Wohnungsbau.

Das rund 30 Millionen Einwohner zählende Land steht aber auch an einer anderen Front unter Feuer. Die Inflation ist horrend. Im August lag die Teuerungsrate im Zwölf-Monats-Schnitt bei über 63 Prozent. Die Vorjahresrate von 56 Prozent dürfte 2014 deutlich überschritten werden. Inoffizielle Schätzungen schließen auch 70 Prozent nicht aus.

Wenige Devisen

Auch die Lage bei den Währungsreserven ist prekär. Derzeit verfügt Venezuela über Devisen im Wert von 21,4 Milliarden Dollar (Stichtag: 15. Dezember). "Das ist etwa die Hälfte des Niveaus von Ende 2008, als Venezuela zuletzt einem scharfen Ölpreisrückgang im Zuge der internationalen Krise gegenüberstand", bemerkte Fitch.

Maduro und sein Außenminister Rafael Ramirez machen unentwegt Stimmung gegen den "Wirtschaftskrieg" und versuchen, die Bevölkerung zu beruhigen. Venezuela werde es nicht zulassen, dass durch die Ölpreiskrise der eigene Entwicklungsplan leide, versicherte Ramírez, der lange Zeit auch Ölminister war: "Wir haben eine solche Situation schon 2008 erlebt, als der Preis von 140 auf 35 Dollar fiel."

Für 2015 setzt Venezuela ganz auf das Prinzip Hoffnung. Zur Berechnung des Jahresetats legte die Regierung einen Barrel-Preis von 60 Dollar, ein Wirtschaftswachstum von drei Prozent und eine Inflationsrate von "nur" 30 Prozent zugrunde. Aus derzeitiger Sicht scheinen solche Kalkulationen eher Wunschdenken zu sein. (Helmut Reuter und Nestor Rojas/dpa, 26.12.2014)