Da muss der US-Präsident wohl eine speziell rosarot eingefärbte Brille getragen haben, als er in einer Weihnachtsansprache behauptete, dass die Welt 2014 "besser" und "sicherer" geworden sei. Natürlich muss man den Kontext der Rede mitdenken: Barack Obama kann den in Afghanistan stationierten US-Soldaten, an die er sich dabei wandte, ja nicht gut sagen, dass ihr Einsatz tausende Meilen von der Heimat entfernt von zweifelhaftem Nutzen für die Sicherheit "der Welt" sei. So wie mit dem Tod von bis zu 7000 US-Soldaten in Afghanistan und dem Irak - mehr als doppelt so viele wie am 11. September 2001 - kein Sieg gegen den jihadistischen Islamismus erkauft wurde, sondern das Undenkbare geschah und nach Al-Kaida etwas noch Schrecklicheres kam.

So zynisch kann Obama nicht sein, dass er meinte, das "Homeland" sei gerade deswegen etwas sicherer, weil sich die Menschen zurzeit im Nahen Osten mit einer derartigen Grausamkeit zerfleischen. Es ist auch nur eine Frage der Zeit, bis die Ausläufer des Terrorismus den sogenannten Westen erreichen, spätestens dann, wenn sich der Krieg mit dem "Islamischen Staat" (IS) in der Region aufzulösen beginnt und die Jihadisten andere Schauplätze suchen werden.

Das Jahr 2014 war im Nahen Osten ein Annus horribilis. Es begann mit dem IS-Vormarsch in der irakischen Provinz Anbar, und aus dem Konflikt in Syrien wurde damit, anfangs fast unbemerkt, ein regionaler Krieg, in dessen Zentrum nicht mehr ein undemokratisches Regime, jenes von Bashar al-Assad, steht. Das Jahr 2015 fängt deshalb typischerweise damit an, dass die internationale Gemeinschaft - auch die EU - damit beschäftigt ist, für sich selbst zu klären, wie groß das Maß an Pragmatismus sein kann, mit dem Assad in syrische Zukunftsszenarios integriert werden muss und kann. Die Rede ist vom Plan des Uno-Sonderbeauftragten für Syrien, Staffan de Mistura, für ein "Einfrieren" des Konflikts in der umkämpften Stadt Aleppo, das den Weg zu einem neuen diplomatischen Prozess öffnen soll.

Ein Versuch einer politischen Lösung für Syrien stand auch am Beginn des nun zu Ende gehenden Jahres: Genf II. Als ob es nicht schon schwierig genug gewesen wäre, Opposition und Regime an einen Tisch zu bringen, kam auch noch die Ukraine-Krise dazwischen, die die russische Bereitschaft ausradierte, in Syrien mit den USA an einem Strang zu ziehen.

Die ersten Monate von 2014 war auch noch eine schwache Hoffnung aufrecht, dass bei den US-initiierten israelisch-palästinensischen Verhand-lungen etwas herauskommen würde. Heute sind Befürchtungen - und Anzeichen - da, dass auch dieses ewige Prekariat wieder in eine gewalttätige Phase abgleitet. Alle Welt - mit der Ausnahme der israelischen Regierung - versichert, dass am Status der Palästinenser etwas verändert werden muss. Weitergekommen ist man nicht.

Und ebenfalls zu Jahresbeginn ging man davon aus, dass 2014 die Entscheidung über eine Beilegung des Atomkonflikts mit dem Iran bringen würde. Sie wurde vertagt: die einzige Nachricht, die, wenngleich nicht gut, so auch nicht ganz schlecht ist. Auch hier ist die Lösung nicht greifbar - aber die Angst davor, was ein definitiver Bruch mit dem Iran bringen könnte, so groß, dass ernsthaft nach Auswegen gesucht wird. Der "Islamische Staat" macht es möglich, der den Westen mit Teheran in eine Front gezwungen hat. (Gudrun Harrer, DER STANDARD, 27.12.2014)