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Dominik Steiger (1940-2014) nannte sich einmal "infantiler Infanterist": Er unterwanderte Sprache, bildende Kunst, Objektkunst oder Videokunst mit kindlicher Unbefangenheit.

Foto: Archiv Dominik Steiger

Krems - "Teures Nichtverstehen, dir werde ich letzten Endes verdanken, ich zu sein", lautet ein Schlüsselsatz aus Samuel Becketts Roman Der Namenlose: Die Hauptfigur findet ihre Identität im anhaltenden Scheitern an der Sprache. Sie muss weitererzählen, weil an keinem Wort Halt zu finden ist, weil jede gefundene Sprache verworfen werden muss.

Becketts Figur kann exemplarisch stehen für das Antiheldentum, die Verweigerungshaltung, die politische und wirtschaftliche Unvereinnahmbarkeit, die vom modernen Künstler oft gefordert worden ist - und die schwer einzulösen ist, bedeutet sie in ihrer radikalsten Ausprägung doch völliges Verstummen.

Einer, der den ununterbrochenen Zweifel an allen Ausdrucksformen jedenfalls auf die Spitze getrieben hat, ist der Künstler Dominik Steiger. Sozialisiert zwischen Wiener Gruppe und Wiener Aktionismus, blieb er bis zu seinem Tod im Jänner 2014 eher eine Randerscheinung der österreichischen Kunstgeschichte. Vom "Mythos Dominik Steiger" spricht gar Hans-Peter Wipplinger, Kurator einer sehenswerten Retrospektive aus Videos, Zeichnungen, Aquarellen und Objekten in der Kunsthalle Krems.

"I would prefer not to"

Geboren 1940 in Wien, hätte Steiger in den späten 1960ern literarischen Erfolg haben können. Mit den Büchern Wunderpost für Co-Piloten und Hupen Jolly fahrt Elektroauto hatte er einen poetisch-träumerischen Ton angeschlagen, der bei Suhrkamp Anklang fand. Auch das Feuilleton gab seinen Segen, die Zeit feierte "kunstvolle Faseleien und hinterlistige Kasperliaden, in denen die Geister von Kafka, Nestroy, Karl Valentin und Karl May umgehen".

Steiger selbst allerdings zweifelte an seinem Erfolg, weil dieser ihm allzu leicht von der Hand gegangen zu sein schien. Also "torpedierte" er ihn, wie er später sagte. Er legte "ungenießbare kleine Prosa" vor und überwarf sich absichtlich mit Suhrkamp-Verleger Siegfried Unseld. Die Möglichkeit des professionellen Umgangs mit Sprache war ihm suspekt, weil er es bevorzugte, künstlerische Ausdrucksmittel mit der Unbefangenheit des Kindes zu benutzen.

Anfang der 70er löste Steiger seine Sprache dann vorläufig völlig auf: Für das Hörstück Ultramundane Melodie improvisierte er Lautketten fernab aller verständlichen Sprache. Als "magische Expedition in Vorformen des Bewusstseins" bezeichnete Peter Weibel dieses quasikindliche Ausprobieren des eigenen Stimmorgans, mit dem Steiger Klänge aus der "Ferne des Menschengeschlechts" hörbar gemacht habe.

Über die Auflösung der Schrift gelangte Steiger schließlich auch zur bildenden Kunst: Er zeichnete Serien, in denen Schriftzeichen immer weiter zersetzt werden, bis sie vollends ihre Natur als grafische Gebilde preisgeben. "Knöchelchen-Zeichnungen" nannte er diese Experimente zwischen Text und Bild, sprach aber auch von "biometrischen Texten". Damit meinte er, dass sich seine Gebilde nicht an sozialen Übereinkünften orientieren, sondern nach dem unmittelbaren menschlichen Maß, dem Körper.

Der Phase radikaler Zergliederung folgte schließlich auch eine der "Zusammensetzung". Immer jedoch folgte Steiger dem dekonstruktivistischen Prinzip, die "Sprache sich versprechen zu lassen" , um versteckten Sinn sichtbar zu machen.

Die Sonderstellung des Kindlich-Subversiven nahm Steiger schließlich auch in unzähligen Kooperationen ein, ob er nun in den 1960ern an den Aktionen der Kollegen teilnahm oder später mit Günter Brus in einen zeichnerisch-literarischen Briefwechsel trat. Seine Rolle sah er dabei voller Understatement, bezeichnete er sein Leben doch einmal als "Selbstaufhebung mit Nebenabsichten". (Roman Gerold, DER STANDARD, 30.12.2014)