Ein katalanischer Hirtenhund steht am Anfang dieser Geschichte. Er hat seiner Heimatstadt Weltruhm beschert mit seinem quadratischen Kopf und den weißen Turnschuhen. Das postmoderne Hunderl heißt Cobi. Es war 1992 das Maskottchen der Olympischen Sommerspiele von Barcelona und hat rund 1,7 Millionen Besucher begrüßt. Nebenbei wurde Cobi zur rentabelsten Olympiafigur aller Zeiten. Jetzt hat er es sogar ins Museum geschafft.

70.000 Objekte aus fünf Jahrhunderten

Design "made in Spain" - der überwiegende Teil stammt aus Katalonien - kann man neuerdings auf 6.000 Quadratmetern bewundern. Das Mitte Dezember eröffnete Museu del Disseny de Barcelona birgt 70.000 Objekte aus fünf Jahrhunderten. Rund ein Viertel davon ist nun auf vier Etagen zu sehen.

Barcelona hat ein neues Designmuseum. Es soll Touristenströme aus dem Zentrum locken und der Stadt bei der Imagepflege helfen. Es erzählt aber auch die Geschichte einer Region, die nicht gerne auf ihren Lebensstil verzichtet.
Foto: Disseny Hub Barcelona

Der Fundus stammt aus kleineren Museen für dekorative Kunst, Keramik, Textil- und Mode sowie grafische Kunst. Der horizontale, kompakte Neubau des Architekturstudios MBM, wo unter anderem Oriol Bohigas wirkt, erzählt nicht nur die Geschichte katalanischen Designs, er sagt auch etwas über die Geschichte Kataloniens. Denn "der Besucher kann hier den Lebensstil und den Geist einer Region kennenlernen", sagt Pilar Vélez, Historikerin und Museumsleiterin.

Im Zentrum stehen das Objekt und sein Gestalter. Kataloniens erste Designschule wurde bereits 1775 vom Verband der Gewerbetreibenden gegründet. Vor allem Textildesign wurde unterrichtet, denn Barcelona war im 19. Jahrhundert ein europäisches Zentrum für Stoffproduktion. Das Beispiel zeigt eine typisch katalanische Art, die Dinge anzugehen. Privatinitiativen und Vereinsgründungen seien in dieser Region "ohne König und klare Machtstrukturen" immer wichtig gewesen, wie Pilar Vélez meint. Bürger, Unternehmer und Geschäftsleute hätten dafür gesorgt, dass katalanisches Design beachtet und bewahrt werde.

Private Verantwortung

Im Gegensatz zum Wiener Museum für angewandte Kunst (MAK), wo viele Stücke aus königlichen Sammlungen stammen, ist das Museu de Disseny mit Exponaten aus Privatsammlungen bestückt. "Gesellschaftlichem Verantwortungsbewusstsein verdanken wir es, dass katalanisches Design nun Zugang zu internationale Museen findet," sagt Vélez.

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Der Wandel des Berufs wird anschaulich vermittelt. Designer sollen ein Produkt verbessern und dessen Verkauf steigern. Sie sind eng mit industrieller Produktion und Warenmarkt verbunden, lösten im 20. Jahrhundert Zeichner und Kunsthandwerker ab und gewinnen immer mehr an Bedeutung. Sieben Schulen und rund 20 Universitätsstudiengänge für Design gibt es heute in der Region.

Besonders attraktiv sind die Etagen Eins und Vier, wo herausragende Beispiele für katalanisches Produkt- und Grafikdesign gezeigt werden. Charmant wirken der Handmixer (Gabriel Lluelles), die Stehlampe (Miguel Milá) oder die Eiswürfelzange (André Ricard) aus den 1960er-Jahren. Sie sprechen über Lebensstandard und Zufriedenheit im Katalonien der letzten Francojahre.

Von Psychopharmaka bis Hämorrhoidenmittel

In der Ausstellung zu Grafikdesign darf man mehr als 500 Plakate, Buchcover und Verpackungen bewundern. Sie bewarben zum Beispiel in den 1950er-Jahren komplexfrei und farbenfroh Psychopharmaka oder Hämorrhoidenmittel (Armand Domenèch). Andere evozieren mit expressionistischen Covern die Spannung von Maigret-Krimis, bevor man das Buch überhaupt aufgeschlagen hat (Ricard Giralt).

Noch sind alle Exponate aus dem analogen Zeitalter. Design des ausgehenden Industrie- und beginnenden Digitalzeitalters - von den 1980er-Jahren bis heute - sollen in zwei oder drei Jahren gezeigt werden. Vorbereitend wird ab Februar die erste temporäre Ausstellung laufen, mit 99 Exponate der Gegenwart. Sie zeigen, wie sich der Beruf des Designers gerade neu definiert, vom Gestalter zum gesellschaftlichen Agitator.

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Foto: AP Photo/Manu Fernandez

Isabel Roig, Leiterin das Barcelona Design Centers (BCD), definiert Designer heute als Problemlöser. Das BCD hat seinen neuen Sitz im Untergeschoss des Museums. Seit 1973 puscht es Design und hat es dabei zu einem Markenzeichen der Stadt gemacht, neben Ikonen wie der Sagrada Familia oder der Rambla.

Das Museum soll Touristen "umleiten"

Dort, im Zentrum, erkennt man, wie sehr sich Barcelona über Design definiert. Unter dem Motto "Barcelona innova" kommuniziert die Verwaltung, im Bus, auf Plakaten oder auf der eigenen Webseite Maßnahmen zum besseren Zusammenleben. Bürgermeister Xavier Trias steht unter Druck, denn im vergangenen Sommer haben die Einwohner ihren Unmut über die rund 7,5 Millionen Touristen gezeigt, die jedes Jahr die Stadt besuchen. Durch das Museum sollen die Touristen und das Geld, das sie ausgeben, nun "umgeleitet" und gerechter auf die Quartiere verteilt werden.

Die Stadt ist auf dem Weg zur Smart City, sie will effizient, technologisch fortschrittlich, umweltfreundlich und sozial verantwortungsvoll sein. Gerade wurde Barcelona von der Europäischen Kommission zur "iCapital", zur innovativsten Stadt Europas ernannt, "für die Einführung neuer Technologien, mit denen den Bürgerinnen und Bürgern die Stadt näher gebracht wird".

Trendsetter im Viertel

Das Designmuseum spielt dabei eine Rolle. Es steht an der Plaça de les Glòries Catalanes, drei Kilometer vom Zentrum entfernt, und soll als neuer kultureller Anziehungspunkt wirken, für Trendsetter und in Folge Kulturtouristen. Der Verkehr wird gerade untertunnelt, ein Flohmarkt, das Auditorium, das Nationaltheater, Jean Nouvels Agbar-Turm und nun Oriol Bohigas’ neues, "Disseny Hub Barcelona" genanntes Gebäude prägen seinen Charakter.

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Ein Exponat: Das Bicicleta BH

Bohigas, 89-jähriger Architekt, hat das neue Designzentrum erdacht, damals, in den 1990er-Jahren, als er Stadtrat war und Barcelona den Olympia-Effekt maximal nutzen wollte. Das angrenzende Viertel Poblenou, lange als Kataloniens Manchester verrufen, mausert sich gerade zum Trendviertel. "Barcelonas Ruf ist enorm", sagt BCD-Präsidentin Roig, "nun dürfen wir ihn nicht ruinieren."

Kein Verzicht auf Design

Roig versucht krisengebeutelte Unternehmen - vor der Krise hat die Industrie rund 20 Prozent des Bruttoinlandprodukts erwirtschaftet - davon zu überzeugen, dass sie dennoch nicht auf gutes Design verzichten sollen. Eine Tugend, die sich viele in den Olympia-Jahren zugelegt haben.Ein wichtiger Vertreter jener Generation ist Javier Mariscal, Vater von Cobi.

Sein Design steht für spanische Postmoderne, verweist auf Herkunft und Mentalität. Mediterran wirken die Arbeiten des heute 64-Jährigen, farbenfroh, fahrig, irgendwie ungenau und organisch. Er ist neben Oscar Mariné, der lange Pedro Almodóvars Grafikdesigner war, wohl einer der letzten Designer mit Herkunftsbezeichnung.

Europäisches Design "made in Spain"

Heute wird in Barcelona europäisches Design gemacht, das viel über unseren Lebensstil aussagt: Flexible Silikonschüsseln, in denen man Fisch oder Gemüse im Ofen garen kann (Studio Compeixalagua) oder Teppiche mit eingebauten Keilen zum Herumflacken (Emiliana Design). Bei der vergangenen Stockholmer Möbelmesse, erzählt Roig, hätten sie und ihre Designer immer dieselbe Frage gehört: "Sind Sie Skandinavier?" (Brigitte Kramer, DER STANDARD, 10.1.2015)