Kein schwarzes, sondern ein rotes Quadrat als kraftvoller Ausgangspunkt in Etel Adnans Kompositionen in Öl: ein Symbol für Sonne und Leben (Ohne Titel, 1972-1975, Öl auf Leinwand).

Foto: Galerie Lelong / Fabrice Gibert

Schriftstellerin, Dichterin und Malerin: Etel Adnan (79).

Foto: Simone Fattal / Nautilus Verlag

Salzburg - Kräftige Farbflächen, arabische Schriftzeichen und immer wieder ein Berg dominieren das zwischen Abstraktion und Gegenständlichkeit changierende bildnerische Werk der Künstlerin und Schriftstellerin Etel Adnan. Das Museum der Moderne auf dem Salzburger Mönchsberg zeigt es in seiner ganzen Vielfalt: Berge schreiben ist hierzulande die erste umfassende Personale der 1925 in Beirut geborenen Adnan, die als Tochter einer griechisch-orthodoxen Mutter und eines syrischen Muslimen mehrsprachig aufwuchs. Zeitlebens ist sie Weltbürgerin geblieben, mit Wohnsitzen in Paris, dem kalifornischen Sausalito und New York.

Neben bildender und Dichtkunst hat Adnan auch Experimentalfilme oder Tapisserien gefertigt, als Kulturjournalistin gearbeitet sowie an US-Unis Philosophie gelehrt. In Mitteleuropa wurde ihr malerisches Werk erst durch ihre Teilnahme bei der Documenta 13 im Jahr 2012 bekannt.

Berge schreiben (kuratiert von Tina Teufel) zeichnet anhand von etwa 150 Exponaten Adnans künstlerische Entwicklung von den späten 1950ern bis zur Gegenwart nach. Geprägt ist es von den Kriegen - vor allem jenem im Nahen Osten, aber auch dem Vietnamkrieg -, von der westlichen Moderne wie orientalisch-mystischem Sufismus. Als Reaktion auf den algerischen Unabhängigkeitskrieg hatte sie sich der Ölmalerei zugewandt. Später, als sie in den 1960ern in den USA lebend gegen den Vietnamkrieg protestierte, begann sie wieder vermehrt Gedichte zu schreiben.

Eine zentrale Kategorie sind "Farben". Immer wieder taucht in den kleinformatigen Gemälden inmitten der großen gelb-grün-blau leuchtenden Farbflächen ein rotes Rechteck auf - quasi das Markenzeichen der Adnans, das sich auch gern in den gleichfalls seit den 1950ern entstandenen Tapisserien findet. Die roten Vierecke bilden oft den Ausgangspunkt der Gemälde, ein Zentrum, das als Lieblingsfarbe der Künstlerin gleichzeitig ein Symbol für Sonne und Leben darstellt.

Natur als Antithese

Farben generell sind für Adnan unschuldige Materialien, meist direkt aus der Tube mit einer Spachtel aufgetragen, ein Sinnbild für die Liebe zur Welt und zum Leben. Die Natur ist so nicht nur Rückzugsort, sondern die Antithese zur grausamen Realität der Kriege. Wichtig ist ihr nicht das Sujet, denn nur das Licht erhellt unser Leben. Daraus kann man Hoffnung schöpfen - und das darf man auch politisch deuten.

Egal, in welcher Gattung: Immer arbeitet Adnan schnell, die Unmittelbarkeit des Ausdrucks ist ihr so wichtig, dass sie auf Korrekturen verzichtet. "Ich lebe, denn ich sehe Farben" heißt ein zentraler Satz aus dem Buch Reise zum Mount Tamalpais. 1980 zog die Künstlerin in das nördlich von San Francisco gelegene Sausalito, wo dieser Berg zur Inspirations- und Kraftquelle wurde.

Zuvor war sie wieder einmal aus Beirut geflüchtet, der damalige Bürgerkrieg hat eines der wichtigsten Bücher Adnans, den Lyrikzyklus Arabische Apokalypse, nachhaltig beeinflusst. Die auch nach fast vier Dekaden noch brandaktuellen Texte werden am Sonntag (11. 1.) von der Schauspielerin Corinna Harfouch auf dem Mönchsberg gelesen. Synästhetische Gedichte, die auf Krieg, Verwüstung und Massaker Bezug nehmen, aber immer wieder Adnans Hausberg an der US-Westküste huldigen.

Der Vergleich mit Paul Cézanne und dessen besonderer Beziehung zum Montagne Sainte-Victoire drängt sich in puncto Naturstudien und Obsession auf. Auch im zweistündigen, aus 70 Kurzfilmen bestehenden Super-8-Programm Motion (1980-1989/2012) taucht der pyramidale Berg immer wieder auf. Dazwischen Bilder aus New York, urbane Landschaften mit den großen Brücken der Metropole samt Schiffen, rauchenden Schloten und Hausfassaden - auch des World Trade Centers.

Und auch hier öfters die Farbe Rot: Wolkenformationen an den Grenzen zur Abstraktion oder bei Sonnenuntergängen sowie Studien zum unvermeidlichen Sommernebel in der Bay Area rund um San Francisco. Der Fokus dieser Arbeiten liegt auf Licht, Farben und Bewegung. Was die Schau vermissen lässt, ist, die politische Dimension in Adnans Denken und Wirken mehr zu betonen, aber womöglich kommt die bei der Lesung etwas zur Geltung. (Gerhard Dorfi, DER STANDARD, 9.1.2015)