36.000 Abmahnungen wurden verschickt, der Fall wird die Justiz wohl noch länger beschäftigen.

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Der Versand von rund 36.000 Abmahnungen an mutmaßliche Besucher des Pornovideo-Portals Redtube ist zwar bereits mehr als ein Jahr her, doch die deutsche Justiz wird sich mit dem Vorfall wohl noch länger beschäftigen. Die Ermittlungen und die Liste der Beschuldigten zu den wahrscheinlich widerrechtlich versandten Mahnschreiben wurden nun ausgeweitet, für die Behörden geht es dabei auch um ihren eigenen Ruf, wie die Tageszeitung "Die Welt" berichtet.

Der einstige Regensburger Anwalt Thomas Urmann hat mittlerweile nicht nur sein Mandat in der Vertretung der klagenden Partei The Archive AG längst zurückgelegt, sondern im November auch seine Lizenz als Anwalt zurückgegeben. Den Schritt hat er damit begründet, dass er als Angeklagter in einem Strafverfahren "nicht mehr als Organ der Rechtspflege" auftreten könne.

Hausdurchsuchung bei Berliner Anwalt

Auf der Liste der Beschuldigten findet sich nun auch ein vormals nur als Zeuge geführter Berufskollege aus Berlin. Bei diesem wurde eine Hausdurchsuchung durchgeführt, er steht unter Verdacht, "Anstiftung oder Beihilfe zur falschen Versicherung unter Eides statt" geleistet zu haben. Geladen wird auch jener Gutachter des als Briefkastenfirma enttarnten Unternehmens "ITGuards", der einst bestätigt hatte, dass eine "GLADII" genannte Software zur Beschaffung der IP-Adressen der Abgemahnten korrekt funktioniert habe.

Auch darüber hinaus kommen neue Details zum Fall ans Tageslicht. Die bei Gericht eingereichten Cover der Pornofilme, deren Rechte der Kläger The Archive AG für sich reklamierte, könnten gefälscht sein. Die darauf zu findenden Barcodes wurden einer Modemarke zugeordnet.

Gerichte ausgetrickst

In erster Linie hätte es aber zum Versand der Abmahnungen – insgesamt hätten sogar etwa 45.000 verschickt werden sollen – wohl gar nicht kommen dürfen. Die Herausgabe der Daten der Anschlussinhaber seitens der Telekombetreiber war erst durch eine entsprechende Anordnung des Kölner Landgerichts möglich geworden.

Die dortigen Verantwortlichen dürften davon ausgegangen sein, dass es um Filesharing gehe, zumal im Gutachten auch von "Downloads" die Rede ist. Tatsächlich werden Videos auf Redtube gestreamt, was nach Ansicht der deutschen Bundesregierung und mehrerer Rechtsexperten keinen Urheberrechtsverstoß darstellt. Eine Ansicht, die der Europäische Gerichtshof Mitte 2014 im Rahmen eines anderen Verfahrens untermauert hat.

Abmahnwelle könnte 600.000 Euro gebracht haben

Auch zu den möglichen Einnahmen durch die Massenabmahnung nennt die "Welt" Zahlen. In den ersten Tagen, noch bevor im Internet eine Welle der Empörung losbrach, sollen zahlreiche Abgemahnte die Unterlassungserklärung unterschrieben und die geforderten 250 Euro bezahlt haben. 600.000 Euro seien im Zuge dessen auf einem Konto auf einer Privatbank gelandet, das von einem Anwalt einer angesehenen Kanzlei verwaltet werden soll. (gpi, derStandard.at, 9.1.2015)