Es lebe die Solidarität in unserem Europa! Mit diesem Satz schließt die Erklärung der Bundesregierung, die zur Wiener Gedenkveranstaltung für die Opfer des Terrors in Frankreich veröffentlicht wurde.

Wortreiche Beschwörungen europäischer Werte haben Hochkonjunktur nach Ereignissen wie jenen in Paris. Sie dienen - psychologisch verständlich - auch der Selbstvergewisserung, der moralischen Aufrüstung im Angesicht skrupelloser Gewalt. Wohl auch dazu, Versäumnisse zu kompensieren. Derer gibt es im Umgang mit dem islamistischen Gefahrenpotenzial mehr als genug, auch in Österreich, und vor allem in der Politik - Stichwort Integration.

Jetzt aber geht es zunächst um Solidarität. Auch da sind Worte eine Sache, Gesten aber offenbar eine andere. Statt sich in Paris den rund 50 Staats- und Regierungschefs (darunter die Spitzenvertreter fast aller EU-Staaten) einzureihen, die Einigkeit gegen die Bedrohung des westlich-pluralistischen Gesellschaftsmodells bekundeten, zogen Bundespräsident und Bundeskanzler es vor, in Wien zu bleiben. Über die Motive darf man - mit Blick auf die opulente Berichterstattung in Boulevard und ORF - spekulieren.

Immerhin hat das Ganze eine gewisse Konsequenz. Der rote Teppich, den das offizielle Österreich im Vorjahr Wladimir Putin ausbreitete - jenem Mann, der Europas Friedensordnung nach 1989 infrage stellt -, war ja auch eine höchst kreative Interpretation des Begriffes Solidarität. (Josef Kirchengast, DER STANDARD, 12.1.2015)