Ein "neues Land" wollte die Wiederaufbaukommission nach dem schweren Beben in Haiti errichten. Das Versprechen war zu vollmundig. Fünf Jahre später sind zwar die Trümmer verschwunden, und es gibt Fortschritte im Bildungs- und Gesundheitswesen, aber im Kern ist Haiti das gleiche Land geblieben. Die Weltgemeinschaft hat längst nicht das ganze versprochene Geld ausgezahlt, ein Großteil versickerte in Bürokratie und in umstrittenen Sofortmaßnahmen wie Nahrungsmittelimporten.

Vor allem aber wurde das Hauptproblem verkannt: In Haiti ging es nicht darum, ein von einer Naturkatastrophe zerstörtes Land wiederaufzubauen, sondern aus einem gescheiterten Staat einen funktionierenden zu machen. Dabei hat auch die Elite versagt. Die Politiker rieben sich in Machtkämpfen auf, statt an einem Strang zu ziehen.

Welche Lektionen birgt der Fall? Die Uno hat einen aufschlussreichen Bericht geschrieben. Dessen Schlussfolgerung ist zwar nicht revolutionär, sollte aber als Handlungsstrang für künftige Krisen in gescheiterten Staaten gelten: Ein Wiederaufbau ist nur dann nachhaltig, wenn er die heimischen Institutionen stärkt. Das ist heikel, denn das wird weder den Eliten schmecken, die auf die staatliche Souveränität pochen, noch den Hilfsorganisationen. Denn welcher Spender zahlt schon für den Aufbau eines Rechnungshofs, wo lernende Kinder und gebohrte Brunnen doch viel fotogener sind? (Sandra Weiss, 13.1.2015)