"Meiner war der mit dem Zylinder!" "Und meiner der da!" Gerhard Krings und Herbert Lürzer stapfen auf die Statue der Beatles zu, die seit kurzem an der Skipiste des Kirchbühellifts steht. Sieben Meter breit, vier Meter hoch, 1,5 Tonnen schwer - wie für die Ewigkeit gemacht. Fünfzig Jahre hat es gedauert, bis man den Fab Four hier in Obertauern ein Denkmal setzte: die Arme in alle Richtungen gestreckt, nebeneinander auf dem Beatles-Schriftzug stehend, dem Plattencover von Help! nachempfunden.

Überlebensgroß warten die Beatles in Obertauern als Statuen darauf, wegen der Dreharbeiten zu "Help!" im März 1965, nach 50 Jahren gefeiert zu werden
Foto: Florian Schuh

Endlich haben die Burschen aus Liverpool weiße Gesichter und einen Schneeschleier auf den Kleidern. Die ersehnten Flocken sind gefallen, und seit Dezember laufen zusätzlich die Schneekanonen, eine steht nur wenige Meter neben dem Monument. Zum Betonieren der Fundamente im Oktober musste allerdings zuerst eine Schneefräse anrücken, nachdem es hier heroben schon geschneit hatte.

Sie sollten vor allem Musik machen

Weil Obertauern bereits vor den Zeiten künstlicher Beschneiung als besonders schneesicher galt und schnell vom Flughafen Salzburg zu erreichen war, drehten die Beatles vor einem halben Jahrhundert an diesem Hang ihren zweiten Film Help!. Das war vermutlich auch das Wort, das ihnen in den Tagen im März 1965 am häufigsten in den Sinn kam, denn Skifahren konnten sie nicht. Obwohl Paul McCartney später in einem Interview sagen wird: "I learned to ski in Obertauern", ging das Erlernte über ein paar Bögen und eine kleine Schussfahrt mit unsicherem Ausgang laut Augenzeugen nicht hinaus. Doch sie sollten ja vor allem Musik machen und vielleicht ein wenig schauspielern, und das gern ohne Gips, so sah das auch ihre Versicherung.

Obertauern gilt als vergleichsweise schneesicher.
Foto: TVB Obertauern

Für jeden Beatle gab es demnach ein Double, das die Skiszenen absolvierte. Man engagierte junge Einheimische, zwei leben bis heute in Obertauern: Gerhard Krings, der für George Harrison einsprang, und Herbert Lürzer, der Paul McCartney mimte - heute beide in ihren Siebzigern und noch für jeden Spaß zu haben. Gerade posieren sie fürs Zeitungsfoto und machen vor der Statue die Armhaltung ihres jeweiligen Beatle nach, was ein bisschen aussieht wie Tai-Chi auf der Piste. Es ist leicht abzusehen, dass die Skifahrer es ihnen bald nachtun und das Denkmal für Fotostopps nutzen. Denn ganz gleich, ob man Fan ist oder nicht: Die Beatles kennt nun wirklich jeder.

Obertauern ohne Kreischen

Das war vor fünfzig Jahren hier oben noch anders. Dass die Beatles eine Musikgruppe aus England waren, wussten zumindest manche. Doch dass sie aus allen Radios schallten und Mädchen zum Kreischen brachten, war ihnen entgangen. Die Leute hatten andere Sorgen und viel zu tun. Erst drei Jahre zuvor hatte Obertauern seinen Namen bekommen, war entlang der Passstraße am Entstehen. Familien zogen in die Höhe, um hier ihr Business zu starten. "Ich bin zwanzig Kilometer ins Plattengeschäft nach Radstadt gefahren, um mir eine Scheibe zum Signieren zu kaufen", erinnert sich Krings, der zumindest ahnte, dass das einmal etwas wert sein könnte. "Dort hatten sie nur eine Single, mehr nicht."

Eine Beatlesbar im Seekarhaus

Ab und zu kam während der Dreharbeiten ein Bus mit Fans herauf, die auch einfach neugierige Schulkinder sein konnten. Oft verwechselten sie die Originale mit den Doubles, die Perücken und dunkle Brillen trugen. Die gaben großzügig falsche Autogramme, die möglicherweise bis heute in österreichischen Wohnzimmern hinter Glas verwahrt werden. Krings und Lürzer wurden fortan zu erfolgreichen Liftbetreibern und Hoteliers und leisteten sich irgendwann ein paar greifbare Beatles-Erinnerungen. Krings hat im Seekarhaus eine Beatlesbar eingerichtet, wo er Gesammeltes aus der Zeit ausstellt. Lürzer kaufte das Hotel Edelweiß, in dem die Beatles nächtigten. Nicht aus Sentimentalität, rein aus ökonomischen Gründen, wie er betont.

Auch ein Grund zu feiern: Der Winter ist Stammgast auf den Skihängen rund um den Grünwaldsee.
Foto: Florian Schuh

Schlendert man heute durch den Fremdenverkehrsort, findet sich fast in jedem Gebäude jemand, der selbst Beatles-Erinnerungen hat oder einen einschlägig ausgestatteten Verwandten vorschlagen kann. Denn es dominieren Familienbetriebe, die oft schon seit damals bestehen. Da ist die 72 Jahre alte Ulrike Meyer in der Alpenrose, deren Tante die Greißlerei betrieb, in der Paul McCartney, ganz Engländer, jeden Tag den Daily Mirror kaufte. "Man hat uns immer gesagt, wir dürfen das mit den Beatles nicht vergessen", erzählt sie. Schließlich ist es ein Aufhänger, ein wertvolles Thema, das andere Skiorte nicht haben. Im Gegensatz zu Schnee, Liften, Hütten und Après-Ski.

Überall lagen Kabel

Ein paar Schritte weiter im Sportgeschäft Erika stellt sich heraus, dass hinterm Haus eine Szene gedreht wurde, bei der jemand aus einem Eisloch auftauchte. Der rote Faden des Klamaukfilms, den man positiv betrachtet als Bond-Parodie sehen kann, ist ein Ring, hinter dem die Bösewichte herjagen. Wo heute Skier und Anoraks verkauft werden, ließ sich die Crew für zwei Tage nieder. Ringo wurde im Heizungskeller mit Kältesalbe eingeschmiert, Paul schaute beim Skiausbessern zu und tauschte mit dem 18 Jahre alten Franz Mayr ein Bandgerät mit Probeaufnahmen gegen dessen Seehundstiefel. Eigentlich sah man den Drehbesuch eher als Belastung. Überall lagen Kabel. "Mein Vater war schon ganz narrisch", erinnert sich Mayr heute amüsiert.

Im Hotel Koch weiter unten im Ort holt der Senior ein Tagebuch hervor, das sie damals für den Lehrer führen mussten. "Als ich von der Schule heimkam, fuhr ich auf das Zehnerkar", steht da in Schönschrift. "Dann habe ich mir die Beatles am Kirchbühelhang angeschaut. Nachher bin ich zum Friseur gegangen." Beeindruckt war der Zehnjährige von den vier Briten offensichtlich nicht, im Gegenteil. Die Kinder fanden sie "gschlampert" mit den langen Haaren, erinnert sich Michael Koch. Außerdem maßen sie sie an der Figur, die sie auf der Piste machten. "Was kann an denen so Besonderes sein, wenn sie nicht einmal Skifahren können? So dachten wir damals."

Leicht britischer Touch

Noch springt einen das Thema Beatles in Obertauern nicht direkt an - sieht man vom Denkmal am Kirchbühellift, einem Edelstahlflügel im Ortszentrum sowie ein paar Fotos in den Hotels einmal ab. Manche Speisekarten geben sich einen leichten Brit-Touch, bieten Fish & Chips und Apple-Cider an. Seit Jahresbeginn wird jede Woche gratis der Film Help! gezeigt. So richtig aufdrehen will man erst in der Beatles-Jubiläumswoche im März mit einem Musical und einer Multimedia-Show. Menschen aus dem Beatles-Umfeld wie Freda Kelly, die langjährige Sekretärin der Beatles, Ruth McCartney, die Halbschwester von Paul, sowie der "fünfte Beatle" Klaus Voormann wollen kommen. Im Hotel Edelweiß können Gäste das Beatles-Menü vom 14. März 1965 essen. Herbert Lürzer hat dafür extra eine signierte Menükarte im Internet ersteigert.

Foto: Florian Schuh

Man will die Beatles zum Thema erheben, ohne sich lächerlich zu machen. Es ist eine Möglichkeit, den Namen eines der größten österreichischen Skiorte, der heute viermal so viele Übernachtungen zählt wie vor 50 Jahren, noch bekannter zu machen. Warum sollte man die Chance nicht ergreifen? Aber mit Bedacht: Man will keine Straßen oder Lifte umbenennen, es wird keine Kaffeehäferl oder Schlüsselanhänger mit Pilzköpfen geben. Eins ist jedem klar: "Obertauern wird keine Beatles-Pilgerstätte werden", sagt der Tourismus-Obmann Roland Kindl. "Und man muss aufpassen, dass es für die Jungen nicht verstaubt wirkt." Das ist tatsächlich die Gratwanderung.

Keine Après-Ski-Hits von den Beatles

Definitiv ist Obertauern für sein Après-Ski bekannter als für die Beatles. Und es ist unwahrscheinlich, dass das feierfreudige Publikum mit lustigen Riesenbrillen auf die Hits der Beatles abtanzt und sie als ihre neue Gute-Laune-Musik entdeckt. Es geht ihnen da wie den Einheimischen vor 50 Jahren: Sie wissen schon, dass die Beatles eine Band sind, doch eine Saite lässt das bei ihnen nicht klingen. (Anja Martin, Rondo, DER STANDARD, 16.1.2015)