Gesellschaftspolitik wird in Österreich weiterhin den Gerichten überlassen. Der Gesetzgeber reagiert lediglich, anstatt Impulse für die längst überfällige Gleichstellung von Homosexuellen zu setzen: Erst vor fünf Jahren wurde die eingetragene Partnerschaft realisiert, seit 2013 ist die Adoption von Stiefkindern möglich. Mittwoch entschied der Verfassungsgerichtshof, dass gleichgeschlechtliche Paare fremde Kinder adoptieren dürfen. Damit fällt eine der letzten großen rechtlichen Diskriminierungen von Lesben und Schwulen.

Kritiker monieren, dass die neue Regelung nicht dem Kindeswohl dient. Als Argument werden traditionelle Rollenbilder angeführt. Es kann aber nicht im Sinne des Kindes sein, dass die Familienform nicht akzeptiert wird, in der es sich geborgen fühlt und geliebt wird. In Österreich gibt es das Jugendamt, das einschreitet, wenn es Kindern nicht gutgeht, sie vernachlässigt oder misshandelt werden. Das gilt auch für heterosexuelle Erziehungsberechtigte.

Viele Studien zeigen bereits, dass sich Kinder aus Regenbogenfamilien genauso entwickeln wie jene von heterosexuellen Paaren. Einzig die Erfahrungen der Diskriminierung ihrer Eltern können traumatisch sein. Die österreichische Politik ist gefragt, schneller auf gesellschaftliche Bedürfnisse zu reagieren und Ungerechtigkeiten zu beseitigen. Sie hinkt nach: In Belgien ist die gemeinsame Adoption von Wahlkindern schon seit 2006 möglich. (Julia Schilly, DER STANDARD, 15.1.2015)