Die Betten sind perfekt gemacht, die Blumen frisch, die Lichter an - doch der Schein trügt. Hotelgäste sucht man im Hotelkompetenzzentrum nämlich vergeblich.

Foto: Hotelkompetenzzentrum Gmbh

Es ist eine voll funktionstüchtige Schaukulisse.

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"Verzeihen Sie bitte, wo ist hier die Toilette?" - "Einmal quer durch die Großküche, und dann hinten rechts neben der Bierschank!" Eine solche Wegbeschreibung hört man auch nicht alle Tage. Das wahrlich nobel eingerichtete Etablissement in Oberschleißheim, keine fünf Kilometer von der Münchner Stadtgrenze entfernt, mag auf den ersten Blick an einen klassischen Hotel- und Restaurantbetrieb erinnern, doch bei näherer Betrachtung macht die Einrichtung stutzig: Wo sind die restlichen Tische? Wo ist die Kühlvitrine mit den Weinen? Und vor allem: Wo sind die Gäste?

"Das ist ein Ort, an dem Gastronomen, Hoteliers und solche, die es werden wollen, ausprobieren können, wie die Abläufe im Betrieb funktionieren und auf welche Art und Weise man unterschiedliche Produkte und Ausstattungsstandards miteinander kombinieren kann", sagt Finian Carey, Projektleiter Hospitality in der Hotelkompetenzzentrum GmbH. "Es ist zwar kein Hotel und auch kein Restaurant, aber eine voll funktionstüchtige Schaukulisse, die alle Elemente beinhaltet, die man auch in einem Gastronomie- und Hotelleriebetrieb hat."

Design muss sein

Auf rund 5500 Quadratmetern, verteilt auf drei Geschoße, bietet das Hotelkompetenzzentrum ein Restaurant samt vollausgestatteter Profiküche, Bar, Lobby, Rezeption, Seminarräume, elf unterschiedlich eingerichtete Hotelzimmer verschiedenster Kategorien sowie diverse Ausstellungsflächen mit Schaustücken und Prototypen aller Art. Rund 1200 unterschiedliche Produkte und Oberflächengestaltungen sind hier zu sehen. Die Liste der Partner- und Herstellerfirmen umfasst mittlerweile mehr als 200 Unternehmen - darunter Möbel- und Gerätehersteller, Sanitärproduzenten, Licht- und Elektrospezialisten, Baustoffzulieferer, Handwerker und diverse Dienstleister aus ganz Europa.

Gegründet wurde das Pseudohotel 2011, damals noch im kleinen Rahmen auf nur 400 Quadratmetern. Nach einigen Expansionen gibt es seit vergangenem Jahr sogar ein fesches Schau- und Ausprobierrestaurant mit feschen Lampen und feschen Servietten, fixfertig eingerichtet vom Hamburger Hotelplaner und Innenausstatter JOI Design.

"Die Geschmäcker der Gastronomen mögen unterschiedlich sein", sagt Carey, der früher in einem Hostel in Nizza, in einem Relais & Châteaux in England sowie im Hyatt on the Bund in Schanghai - in durch und durch echten Hotels also - gearbeitet hat. "Eines zieht sich in den letzten Jahren quer durch die gesamte Branche: Design muss sein, ob das nun ein Haubenlokal in der Stadt oder ein kleiner entlegener Almbetrieb ist. Da ist das Bewusstsein für Schönes deutlich gestiegen."

Pomp und Trara

Zu den bisherigen Kunden zählen kleine Familienbetriebe, Business- und Seminarhotels, aber auch die großen Vier- und Fünf-Sterne-Häuser. Genaue Namen möchte Geschäftsführer Christian Peter nicht nennen. Das tut man nicht. Nur so viel: "Von den zehn großen internationalen Ketten waren alle schon einmal bei uns zu Besuch." Fix ist: Wer Einblick nehmen möchte und Beratung braucht, kann dies gratis tun. Denn das Hotelkompetenzzentrum finanziert sich nicht über seine Besucher, sondern ausschließlich über seine Aussteller.

Highlight der Potemkin'schen Nobelherberge sind die elf Hotelzimmer - allesamt zwischen 20 und 60 Quadratmeter Fläche. Die Möbel sind mal kühl und modern, mal neobarock schwülstig, mal ausgestattet mit jedem noch so glitzernden Pomp und Trara. Technisches Detail am Rande: Alle Zimmer sind einsatzbereit und an Wasser, Strom, Lüftung, Heizung und Klimaanlage angeschlossen. So könne der Kunde, meint Hotelchef Peter, die Produkte und Ausführungen in Aktion erleben. "Das sind wahrscheinlich die einzigen Hotelzimmer in ganz Deutschland, in denen noch nie irgendjemand gebadet oder übernachtet hat."

Probeliegen in Salzburg

Seit kurzem gibt es sogar eine Halle, in der Hotelbetreiber nach eigenen Vorstellungen ganze Mock-up-Zimmer samt Mock-up-Gang aufbauen können. Da kann alles ausprobiert werden, was das Angebot im bestehenden Zentrum nicht abdeckt. Bisher wurde dies vor allem von Hotelbaugesellschaften genutzt, die Musterzimmer maßstabsgetreu und in voller Funktion nachstellen.

Das Hotelkompetenzzentrum ist eigenen Angaben zufolge die größte Einrichtung dieser Art in Mitteleuropa. Doch auch hierzulande können Profis probeweise liegen, kochen und bewirten. Im Gusswerk, einer ehemaligen Glockengießerei am Stadtrand Salzburgs, stellt die Hotel&Design Werkstatt (HDW) auf 1400 Quadratmetern Produkte und Ausstattungskonzepte von rund 70 Partnern aus. Gedacht ist das Ganze als "One-Stop-Shop" für Hoteliers und Gastronomen - Restaurant und Hotelzimmer inklusive.

Restaurant ab Februar

"Im Gegensatz zum Hotelkompetenzzentrum in Oberschleißheim kann man die Einrichtung bei uns nicht nur anschauen, sondern auch ausprobieren und benutzen", sagt Brigitte Agner, Geschäftsführerin der Hotel&Design Werkstatt, die pro Jahr rund 5000 Besucher anlockt. "Wir stellen unseren Partnern die Konferenzräume zur Verfügung, und wir laden sie dazu ein, die Zimmer auf Herz und Nieren zu prüfen. Manche Sachen wie Ergonomie, Schlafkomfort und Funktionsfähigkeit eines Bades lassen sich nämlich nur in Erfahrung bringen, wenn man hier eine ganze Nacht verbringt."

Neben den Räumlichkeiten gibt es regelmäßig Netzwerkveranstaltungen wie etwa Fachvorträge und Symposien. Im Februar soll zudem ein Restaurant unter der Leitung von Küchenchef Andreas Senn (vormals "A-Rosa Heimatliebe") eröffnen. Im April steht eine weitere Expansion bevor: Auf 500 Quadratmetern möchte man einen Konferenzschauraum einrichten. "Wir möchten unseren Schwerpunkt künftig in Richtung Objekt verlagern", so Agner. (Wojciech Czaja, DER STANDARD, 17.1.2015)