Pro: Verlass auf den Rechtsstaat

Von Eric Frey

Die Entscheidung für oder gegen Vorratsdatenspeicherung ist keine Glaubensfrage, sondern das Resultat einer Abwägung zwischen zwei gleichwertigen Zielen: Sicherheit und Datenschutz. Erleichtert die Speicherung von Telekommunikationsdaten die Tätigkeit der Ermittler? Europas Polizeibehörden sagen Ja. Dass es bei den Pariser Anschlägen nichts genutzt hat, ist kein stichhaltiges Argument: Auch andere Sicherheitsmaßnahmen konnten diesen Anschlag nicht verhindern, wiederum andere vielleicht schon. Die Überwachung von Verdächtigen steht ohnehin außer Zweifel. Aber bei Beginn von Ermittlungen ist es nützlich, wenn die jüngste Historie ihrer Kontakte nicht gelöscht worden ist; und deren Auswertung kann sehr wohl Menschenleben retten.

Aber werden dabei nicht Privatsphäre und persönliche Freiheit verletzt? Durch die vorübergehende automatische Speicherung noch nicht, sondern erst, wenn Polizei oder Staatsanwaltschaft auf die Daten zugreifen. Doch das muss ja ein Gericht bei Vorliegen eines konkreten Verdachts anordnen. Wer nicht verdächtigt wird, ist nicht betroffen.

Die stärksten Argumente gegen die Vorratsdatenspeicherung betreffen einen möglichen Missbrauch. Den zu verhindern ist die zentrale Aufgabe des Rechtsstaates, der Österreich zum Glück ist. Und sollte irgendwann einmal eine Big-Brother-Diktatur Einzug halten, dann sind die längst gelöschten Daten aus dem Jahr 2015 das geringste Problem.

Kontra: Nutzloser Generalverdacht

Von Fabian Schmid

Wer telefoniert wann mit Psychiatern oder Journalisten? Wer ist shoppen, wenn er krankgeschrieben ist? Vorratsdaten verraten eine Menge über das Privatleben jedes Einzelnen. Deshalb haben viele Höchstgerichte die Praxis, ohne Anlass und Verdacht monatelang Daten aller Bürger zu speichern, für verfassungswidrig erklärt. Diese Urteile sind zu respektieren.

Dazu kommt, dass immer die Möglichkeit des Datenmissbrauchs besteht. Auch beim ersten EU-Beschluss in Sachen Vorratsdaten hieß es, diese seien "gegen Schwerstkriminalität und Terrorismus" einzusetzen – verwendet wurden die Daten in Österreich, um Diebstähle oder Doping aufzuklären. Damit wird Datenschutz verhöhnt und den Bürgern mit der Drohung staatlichen Allwissens Angst eingejagt.

Noch dazu ist die Effektivität des Überwachungsinstruments mehr als umstritten: Die EU-Kommission konnte vor dem Europäischen Gerichtshof nicht belegen, dass durch Vorratsdaten Anschläge verhindert wurden. Vielmehr entsteht der Eindruck, Geheimdienste hätten gar kein Informationsdefizit: Sowohl die Paris-Attentäter als auch die Bombenleger des Boston-Marathons waren den Behörden bekannt. Gefordert sind also mehr Ressourcen, um vorhandene Informationen zu verknüpfen und Präventionsarbeit zu leisten. Die Vorratsdatenspeicherung kostete Österreich jährlich acht Millionen Euro. Dieser Betrag kann besser investiert werden.

(Eric Frey, Fabian Schmid, DER STANDARD, 20.1.2015)