Krieg und Frieden auf Ukrainisch: Leider erinnern nur das Grauen der Schlachten und das patriotische Pathos der Heer- beziehungsweise Milizenführer an den Weltroman von Lew Tolstoi. Die Hoffnung, mit der Tolstoi seinen Roman abschließt, fehlt im real brennenden Donezk hingegen.

Ein Ende der Kämpfe ist nicht in Sicht. Keine Seite scheint bereit für einen Frieden, solange es zumindest noch ein wenig Geld und Nachschub für den Krieg gibt. So wird der auf dem Nacken der Zivilbevölkerung ausgetragene Konflikt immer brutaler, wie der kürzlich erfolgte Beschuss eines Kleinbusses an einem ukrainischen Checkpoint demonstriert, der zwölf Menschen das Leben kostete und beiden Parteien als rhetorische Munition für Beschuldigungen der Gegenseite diente.

Offiziell ist die Waffenruhe nicht für beendet erklärt worden, doch in Kraft ist sie schon lang nicht mehr. Geschossen wird seit Wochen. Die jüngste Eskalation der Gewalt, ausgelöst durch den von den prorussischen Separatisten unternommenen Sturm auf den Donezker Flughafen, ist allerdings der zynische Versuch, Eingeständnisse bei einem neuen Waffenstillstandsvertrag zu erpressen.

Einen "Siegfrieden" kann aber keine Seite erlangen. Solange sich diese Erkenntnis nicht durchsetzt, ist der Erfolg von Friedenskonferenzen für die Ostukraine, mögen sie in Genf, Minsk oder Astana stattfinden, unmöglich. (André Ballin, DER STANDARD, 21.1.2015)