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Das war es wieder, das Obama-Lächeln.

Foto: REUTERS/Mandel Ngan/Pool

Unter einem Cliffhanger versteht man ein dramatisches Ereignis am Ende eines Films oder eines Buches, das Neugier auf die Fortsetzung wecken soll. Ähnliches dürften Barack Obamas Adlaten im Sinn gehabt haben, als sie die diesjährige State-of-the-Union-Ansprache des US-Präsidenten ersannen. Ein neues Kapitel wolle er aufschlagen, verkündete Obama gleich zu Beginn seiner einstündigen Rede, die 30 Millionen US-Amerikaner vor den Bildschirmen verfolgten. Und tatsächlich schien Obama wieder jenen Esprit zu versprühen, der ihn 2008 auf einer Woge des Optimismus in das Weiße Haus gespült hatte.

In seinen bisher sechs Reden hatte der von Wirtschaftskrise und in- wie ausländischem Gegenwind entzauberte Hoffnungsträger seinem verunsicherten Volk und dem Kongress Notmaßnahmen zur Rettung des maroden Finanzsektors, der Belebung der siechen Wirtschaft und zur Linderung der Arbeitsmarktkrise versucht näherzubringen. Jetzt, im Herbst seiner Amtszeit, sagt der US-Präsident seiner verunsicherten Nation ein frühlingshaftes Lüftchen voraus. Die Arbeitslosenquote ist von mehr als acht Prozent im Jahr 2009 auf knapp über fünf Prozent gesunken, die US-Wirtschaft zieht wieder an, der niedrige Ölpreis schont das Börsel der Autofahrernation. Obama wäre ein schlechter Politiker, schriebe er diese tatsächlich positiven Marker nicht allein der Umsichtigkeit seines Tuns zu. Vor allem aber will er sicherstellen, dass seine Politik über seine Amtszeit hinaus wirkt.

Jetzt, wo die Krise überwunden scheint und seine Tage im Amt gezählt sind, besinnt Obama sich zudem allen republikanischen Unkenrufen zum Trotz einer Agenda, auf die auch Bill Clinton stolz wäre. Steuererhöhungen sollen dem Mittelstand zugutekommen; Community-Colleges, ein bedeutender Pfeiler des amerikanischen Ausbildungssystems, sollen kostenlos werden; niedrige Einkommen sollen mittels De-facto-Subventionen steigen und Mütter in Zukunft bei ihren kranken Kindern bleiben können, ohne um ihren Job fürchten zu müssen. Während konservative Positionen der Vergangenheit angehörten, kündeten die Wirtschaftsdaten vom Funktionieren seiner Politik für den Mittelstand, sagte Obama und erntete Jubel von den Demokraten einerseits und eiserne Mienen von den Republikanern andererseits.

Zwar dürften Letztere viele der kostspieligen Pläne des Präsidenten kraft ihrer Mehrheit im Kongress verpuffen lassen. Obama ist aber auch – oder vor allem – ein grandioser Wahlkämpfer. Gut möglich, dass aus der lauen Brise ein echter Rückenwind wird, der den zuletzt gebeutelten Demokraten bei der Wahl 2016 doch noch ein Happy End ins Drehbuch bläst. Obama will es im letzten Kapitel seiner Amtszeit noch einmal spannend machen. (Florian Niederndorfer, derStandard.at, 21.1.2015)