Wer sich weigert, am Schwimmunterricht teilzunehmen, kann schon jetzt mit einer Geldstrafe belegt werden.

Wien – Die roten Landeshauptleute Franz Voves und Hans Niessl machen sich parteiintern nicht nur Freunde. Sie wollen verstärkt diskutieren, wie man mit "Integrationsunwilligkeit" umgeht. Vier Landesgruppen der Sozialistischen Jugend empfahlen den Landesgranden daraufhin den Parteiwechsel und sprachen sich gegen "rechte Rülpser" aus.

Im steirischen Landtag wurde am Dienstag allerdings eine Kommission eingesetzt, die prüfen soll, ob neue "Tatbestände von Integrationsunwilligkeit und rechtliche Möglichkeiten der Ahndung solcher Tatbestände" erarbeitet werden müssen. Konkrete Vorschläge für neue Tatbestände wollte man im Voves-Büro auf STANDARD-Anfrage noch nicht machen. Als Beispiele für Integrationsunwilligkeit nannte der Landeshauptmann im Landtag aber einen muslimischen Vater, der nicht mit einer Lehrerin sprechen will, und ein muslimisches Mädchen, das nicht am Schwimmunterricht teilnehmen will.

Experte skeptisch

Wären bei diesen Beispielen tatsächlich strengere Regelungen möglich? Der Strafrechtler Helmut Fuchs ist skeptisch. Das gerichtliche Strafrecht wäre aus seiner Sicht grundsätzlich fehl am Platz. So sieht das übrigens auch Justizminister Wolfgang Brandstetter (ÖVP), wie man in seinem Büro auf Anfrage erklärt.

Bliebe also das Verwaltungsstrafrecht. Die Tatsache, dass ein Vater ein Gespräch mit einer Lehrerin verweigert, würde aber laut Fuchs nicht reichen, um eine Verwaltungsstrafe zu begründen: "Ich kann nicht anordnen, dass jemand mit einem anderen reden muss." Aus rechtlicher Sicht würde ein solcher Tatbestand "nicht den Bestimmtheitserfordernissen entsprechen", so Fuchs.

Beim verweigerten Schwimmunterricht wiederum könnte schon jetzt eine Verwaltungsstrafe verhängt werden, wie man im Stadtschulrat in Wien erklärt. Es würde sich um eine Schulpflichtverletzung handeln. Strafrahmen: 440 Euro, wobei in solchen Fällen zuerst ein klärendes Gespräch gesucht wird. Erst als Ultima Ratio werden Geldstrafen verhängt. Wer aus religiösen Gründen nicht zu viel Haut zeigen will, kann bereits jetzt lange Leggins oder Shirts mit langen Ärmeln im Schwimmunterricht tragen. Auch das Tragen eines Burkinis ist natürlich möglich.

"Mittelalterliche Ansichten"

Wenig angetan von der Debatte ihrer Parteikollegen ist daher die Wiener Integrationsstadträtin Sandra Frauenberger. Wien setze auf Dialog, von neuen Tatbeständen halte man nichts, sagt ihr Sprecher. Hannes Jarolim, SPÖ-Justizsprecher und nicht gerade am rechten Flügel seiner Partei angesiedelt, will sich hingegen einer Debatte nicht verschließen. Mit konkreten Vorschlägen hält er sich zwar zurück. "Mittelalterliche Ansichten dürfen aber nicht den geordneten Unterricht gefährden", sagt er.

Gudrun Biffl, Migrationsforscherin an der Uni Krems, nennt die Äußerungen von Voves "Wahlkampfgeplänkel" und einen "gewissen Populismus". Es sei nicht klug, "sich in eine Ecke zu stellen. Immerhin steht ja die Sozialdemokratie auch für Vielfalt". Natürlich gebe es Grenzen, die nicht überschritten werden dürfen, die seien aber so und so festgeschrieben – Biffl nennt als Beispiel die Gleichstellung von Mann und Frau. Was es viel mehr brauche, sei eine offene Diskussion über Diskriminierung. Biffl: "Es gibt kein Land in der EU, in dem die Bevölkerung so wenig über Antidiskriminierungsmaßnahmen weiß, wie Österreich." (Günther Oswald, Peter Mayr, DER STANDARD, 22.1.2015)