Die jüngst publizierte Zahl der Kirchenaustritte der katholischen Kirche in Österreich ist weiter überaus hoch und liegt bei etwa einem Prozent, davon tritt ein Zehntel wieder ein. Wenn jährlich ein Prozent der Katholiken sich verabschiedet, kann man schwer von "Katholikenzahlen 2014 weitgehend stabil" sprechen wie Kathpress am 13. 1. 2015. Immerhin steht 2014 für die dritthöchste Austrittszahl seit 1945, wieder leicht steigend.

Über die Ursachen gibt es viele Interpretationen. Die Bischofskonferenz stellte 1998 fest, dass für "zwei Drittel der Kirchenbeitrag das Motiv für den Austritt" ist. Die wichtigste Voraussetzung für die Kirchenaustritte - seit 1878 gesetzlich in Österreich möglich - wird aber konsequent nicht benannt - das Kirchenbeitragsgesetz der NS-Zeit. Vor der Einführung 1939 stellte ein NS-Gauinspektor fest: "Bei der Mentalität der hiesigen Bevölkerung wird die Einführung einer Kirchensteuer einen vernichtenden Schlag gegen die katholische Kirchenorganisation bedeuten." So viel zur Absicht der NS-Machthaber. Dass das Beitragssystem lange funktionierte, hatte auch mit dem Widerstand gegen das NS-Regime und die Besetzung Österreichs zu tun.

Was hält die Bevölkerung vom Kirchenbeitragsgesetz? Bei einer Umfrage 2009 wurde die Frage nach einem "alternativen Modell zum verpflichtenden Kirchenbeitrag" von 85 Prozent der Befragten beantwortet: "Ja, das ist schon längst überfällig", sieben Prozent waren dagegen. Dem Rest war es egal.

Gibt es eine Alternative zum NS-Kirchenbeitragsgesetz, das nur mehr Österreich hat? Die Kirchensteuer als zusätzliche Steuer wie in Deutschland scheidet aus, niemand akzeptiert eine neue Steuer. Der Blick nach Italien ist hilfreich. Dort gilt das Modell der Steuerwidmung für Kultur/Staat oder anerkannte Religionsgemeinschaften ohne neue Belastung. Dabei handelt es sich um keine "Kultursteuer oder Kulturbeitrag", wie oft behauptet wird. Das Prinzip der Trennung von Kirche und Staat im Sinne einer Neutralität ist dort aufrecht. Auch Spanien, Ungarn und Polen haben dieses Modell eingeführt.

Steuerpflichtige können dann bei der Steuererklärung (Jahresausgleich) entscheiden, ob sie den zu widmenden Teil ihrer Steuer eben Kultur/Staat oder einer Religionsgemeinschaft zuweisen. Mit der Einführung der Steuerwidmung könnten Religionsgemeinschaften gleichgestellt werden und ihre Finanzierung im Inland bei freier Entscheidung jedes Einzelnen selbst sicherstellen. Ein Zwangsgesetz wäre Geschichte. Aber ein NS-Gesetz kann nur die Politik ändern. (Rudolf Höfer, DER STANDARD, 26.1.2015)