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"Auf so eine Kampagne bin ich stolz!": Kanzler Werner Faymann lieferte sich mit seinem Vize Reinhold Mitterlehner nach dem Ministerrat wegen des Abdullah-Zentrums ein böses Gefecht.

Foto: APA/Herbert Pfarrhofer

Wien – Einen solchen Auftritt hat man von den beiden noch nie gesehen: ausweichende Blicke, gereizter Unterton, offene Angriffe. Am Dienstag gerieten Kanzler Werner Faymann (SPÖ) und sein Vize Reinhold Mitterlehner (ÖVP) nach dem Ministerrat erstmals öffentlich aneinander. Der Grund für ihr Zerwürfnis: das Abdullah-Zentrum in Wien, das nicht erst seit der Auspeitschung des saudischen Bloggers Raif Badawi, der sich in seinem Land für die Gleichwertigkeit aller Religionen einsetzt, als umstritten gilt.

Doch von vorn: Dienstagfrüh übermittelte Außenminister Sebastian Kurz (ÖVP) früher als geplant den von Faymann eingeforderten Evaluierungsbericht über die interreligiöse Dialogstätte, die sich bisher stoisch geweigert hat, die drakonische Strafe für den Menschenrechtsaktivisten zu verurteilen ("kein Mandat, innerstaatliche wie juristische Entscheidungen zu kommentieren").

Viele Mängel

Zwar kommt Kurz' Konvolut zu dem Schluss, dass "nur wenige Projekte einer breiteren Öffentlichkeit präsentierten wurden" und dass "Struktur und Arbeitsweise" des Zentrums "sowie seine Kommunikationspolitik Mängel aufweisen". Aber gleichzeitig warnt das Außenamt, dass bei einem Aus für das Zentrum "Auswirkungen auf andere Organisationen, die ihren Sitz in Österreich haben, nicht ausgeschlossen" seien. Explizit wird ein möglicher Abzug der Opec, also der Organisation erdölexportierender Länder, genannt oder des Opec-Fonds für internationale Entwicklung. Und überhaupt sei eine Schließung des Zentrums, konkret der Rücktritt vom Gründungsabkommen samt Kündigung des Amtssitzabkommens, "nur unter Missachtung der völkerrechtlichen Verträge möglich", mahnt der Bericht. Seine Conclusio: Als Handlungsoptionen täten sich damit eine Neuaufstellung des Zentrums oder der Austritt Österreichs auf – und wer darüber nun entscheiden soll, machten Vertreter der ÖVP rund um den Ministerrat unmissverständlich klar.

Kanzler als Oppositionspolitiker

Der Kanzler agiere in der Causa "jetzt plötzlich als Oppositionspolitiker", klagte Klubchef Reinhold Lopatka da – und appellierte an Faymann, dass Österreich in der Sache endlich gemeinsam nach außen auftreten müsse.

Ungewöhnlich lang zog sich die Regierung daraufhin zu ihrer wöchentlichen Sitzung zurück, bis sich die Tore zum Pressefoyer öffneten – und sich Faymann und Mittlerlehner einen offenen Schlagabtausch lieferten. Mitterlehner machte neben seinem Regierungspartner klar, wer die Verantwortung und die Konsequenzen trage, wenn weiterhin "eine Kampagne" gegen das Zentrum geführt werde – nämlich Faymann. Und er pochte darauf, dass es einen Dialog mit Riad brauche, und ganz gewiss habe man die Einrichtung nicht dafür geschaffen, dass sie – wie Amnesty International – die Menschenrechte kommentiere. So würde man jedenfalls nicht die Gewährleistung der Menschenrechte in Saudi-Arabien erreichen.

Faymann konterte, er sei "stolz darauf", wenn es schon eine Kampagne sei, von dem Zentrum klare Worte zum Fall Badawi zu verlangen. Wenn die Missstände dort nicht zu beheben seien, dann solle man eben einen "geordneten Rückzug" des österreichischen Beitrags vornehmen – und diesen Entscheid wolle er in den nächsten Tagen fällen.

Gesichter und Geschäfte

Ist eine Abwanderung der Opec aus Österreich tatsächlich im Bereich des Möglichen – oder nur Panikmache? Wirtschaftskammerpräsident Christoph Leitl (ÖVP) will eine solche Konsequenz im Standard-Gespräch jedenfalls auch nicht ausschließen, denn: "Für diese Länder hat das Gesichtwahren oberste Priorität. Dass das Aus des Zentrums für sie eine gravierende Verletzung darstellen würde, ist gar keine Frage." Und es sei bekannt, wer in der Opec das gewichtigste Wort habe, nämlich die Saudis. Leitls Empfehlung daher: "Wenn ich im Geschäftsleben jemandem drohe, erreiche ich auch nichts." Deswegen müsse man stets im Gespräch bleiben – und die Sache mit dem Zentrum samt Ausgang "doch zu Ende denken".

Bundespräsident Heinz Fischer forderte in der ZiB2, die Diskussion über die Zukunft des Zentrumssachlich zu führen. (Nina Weißensteiner, DER STANDARD, 28.1.2015)