Die Revolution war nur von kurzer Dauer. Eine Woche nach seinem Amtsantritt mit dem Ruf nach einem radikalen Kurswechsel in der Wirtschaftspolitik haben der griechische Premier Alexis Tsipras und sein Finanzminister Yiannis Varoufakis ihre vollmundigen Ankündigungen zum Großteil wieder zurückgenommen. Tsipras verzichtet auf russische Finanzhilfe und verspricht Einvernehmen mit den Europartnern. Statt eines Schuldenschnitts schlägt Varoufakis eine vorsichtige Restrukturierung des Schuldenbergs durch innovative Finanzinstrumente vor.

Noch wichtiger ist sein zweites Zugeständnis: Griechenland wird – abgesehen vom Schuldendienst – in den kommenden Jahren weniger ausgeben als einnehmen, also einen Primärüberschuss vorweisen. Damit sind viele Wahlversprechen zumindest vorläufig nicht finanzierbar. Wahrscheinlich wird auch die ungeliebte Troika weitermachen dürfen, wenn auch unter anderem Namen.

Der rasche Sinneswandel hat zwei Gründe. Nirgendwo in der EU stieß die neue Regierung auf echte Unterstützung für ihre Anliegen, und Sparer begannen mit dem Abzug von Milliarden an Guthaben aus den griechischen Banken. Eine Bankenpanik kann nur mithilfe der Europäischen Zentralbank abgewendet werden, die allerdings auf die Einhaltung aller Verpflichtungen pocht. Und auch Tsipras war nicht bereit, durch einen Staatsbankrott und Euroaustritt alle Brücken nach Europa abzubrechen.

Das übermütige Vorpreschen hat die griechische Verhandlungsposition eher geschwächt; die Chancen auf einen echten Schuldenschnitt sind damit vorerst vertan. Zwar macht es praktisch keinen Unterschied, ob die Schulden gestrichen oder die Rückzahlungen ins nächste Jahrhundert verschoben werden. Aber psychologisch ist die Schuldenquote von 175 Prozent des Bruttoinlandsprodukts eine schwere Belastung, die alle Investitionen hemmt. Mit etwas Feingefühl für deren Bedenken könnten auch die Deutschen für einen Haircut gewonnen werden – aber nicht mit radikalen Ansagen.

Wenn Tsipras von seiner Werbetour durch Europa mit leeren Händen nach Hause kommt, dann beginnen für ihn die Mühen der Ebene. Er könnte ja ohne zusätzliche Hilfsgelder einige Wahlversprechen erfüllen und die soziale Misere im Land entschärfen. Doch dafür müsste er andere Ausgaben streichen, etwa den aufgeblähten Rüstungshaushalt, den auch die schwierige Nachbarschaft mit der Türkei nicht rechtfertigt. Und er müsste endlich die epidemische Steuerhinterziehung der Großunternehmer bekämpfen, ohne die kleinen Geschäftsleute, die oft selbst am Rande der Pleite stehen, weiter zu belasten.

Kein Zweifel: Tsipras und Varoufakis meinen es mit ihrem Einsatz für Steuerehrlichkeit ernst. Aber dies in der griechischen Realpolitik umzusetzen erfordert ein politisches Geschick, das die beiden erst beweisen müssen.

Vor allem dürfte ihnen bei allen inneren Reformvorhaben der Koalitionspartner im Wege stehen. Das Einzige, was Syriza mit den Unabhängigen Griechen (Anel) verbindet, ist das Nein zur Sparpolitik, von dem Tsipras nun notgedrungen abweicht. Kürzungen bei den Militärausgaben wird Anel-Chef Panos Kammenos als Verteidigungsminister allerdings blockieren, ebenso Schritte gegen die von ihm jahrelang hofierten Reeder. Die Entscheidung für die Rechtspopulisten wird Tsipras daher wohl bald bereuen. (Eric Frey, DER STANDARD, 4.2.2015)