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Der niedrige Ölpreis und die Sanktionen setzen der russischen Wirtschaft kräftig zu. Dabei wären dringend Investitionen in neue Technologien vonnöten, auch um dem Klimawandel - dem diese Polarbären zu trotzen versuchen - mit einer Wirtschaftstransformation entgegenzuwirken.

Foto: Reuters/Ho

Wien - Russlands Klimaschützer schlagen Alarm. Dem Land gehe das Geld für Klimaschutzmaßnahmen aus, fasst Angelina Dawydowa die Sorge zusammen. Die russische Klimajournalistin nimmt als Beobachterin an den Uno-Klimaverhandlungen teil. Tatsächlich hat die Regierung in Moskau aufgrund der Krise die Budgetausgaben um rund zehn Prozent gekürzt. Dieser Tage hatte das Energieministerium in Moskau verkündet, dass im Haushalt für das nächste Jahr keine Mittel für Energieeffizienz vorhanden sein werden. Weil das Geld aus dem Staatshaushalt fehlt, will sich das Energieministerium darauf konzentrieren, "ein investitionsfreundliches Klima für Effizienzmaßnahmen zu schaffen", gibt Alexej Kulapin, Chef der Abteilung Energiepolitik in der Zeitung Kommersant zu Protokoll.

Sparprogramm

Das Sparprogramm könnte weitreichende Folgen haben. Die ohnedies zaghaften Bemühungen bei der Transformation Richtung grünerer Wirtschaft könnten im Keim ersticken. Neue Mechanismen zur Emissionssenkung und für eine CO2-arme Wirtschaft, die man im Wirtschaftsministerium entwickeln wollte, könnten wieder in der Schublade landen, fürchten russische Klimabewegte. Sergej Agibalow, Analyst beim Institute of Energy and Finance, einem Moskauer Thinktank der Gazprombank, ist da weniger pessimistisch. Tatsächlich seien die Mittel zwar auf eine halbe Milliarde Rubel (rund 6,5 Mio. Euro) gekürzt worden.

Deren Wirkungsmächtigkeit in Sachen Klimaschutz sei aber ohnedies nicht zu überschätzen: "Das Geld wanderte vom Staatshaushalt in die regionalen Kassen. In vielen Fällen standen die Ausgaben der Regionalbehörden nicht direkt in Verbindung mit Energieeffizienzzielen." Dafür gäbe es zahlreiche andere Programme, mit dem Ziel, die Energieeffizienz zu steigern. Dazu zählen laut Agibalow Milliardenprogramme für die Modernisierung der Strominfrastruktur oder den Umbau des Kohlesektors oder die Unterstützung beim Umstieg von Altautos auf neue Fahrzeuge. Fast 25 Milliarden Rubel will die Regierung insgesamt dafür aufwenden, so Agibalow.

Dass mit solchen Summen etwas bewegt werden kann, liegt für Wasily Astrow, Ökonom am Wiener Institut für Wirtschaftsvergleiche, keineswegs auf der Hand. Seiner Ansicht nach liegt der Hund im großen Ganzen begraben. Für Russland wiege der Rubelabsturz und das Ölpreisdilemma viel schwerer: "Ist der Preis hoch, gibt es kaum Reformdruck, ist er niedrig, fehlt das Geld für Reformen." Astrow sieht den Hebel eher in der Industriepolitik: "Da gibt es seit längerem Versuche, andere Sektoren aufzubauen. Es fließen enorme Summen in die Autoindustrie, in den Schiffs- und den Flugzeugbau oder zum Beispiel in den Technologiepark Skolkowo. Das Geld landet durch die Korruption aber oft in den falschen Taschen."

Klimawandel als Gefahr

So oder so: Russland ist in Sachen Klimapolitik ein wichtiger Player, gehört es doch mit China und den USA zu den größten Emittenten von Treibhausgasen weltweit. Der Klimawandel wird im Land auch sachte als mögliche Gefahr erkannt. Die Regierung entwickelt nach und nach Ansätze einer Klimapolitik. Man sei sich im Land der Notwendigkeit für radikale Veränderungen auch im russischen Wachstumsmodell bewusst, schreiben die Russlandexperten Sergej Bobilew und Renat Perelet in einer Analyse der Forschungsstelle Osteuropa der Universität Bremen.

Auch wenn der Begriff "grüne Wirtschaft" nicht verwendet werde, "die für die nächsten zwei Jahrzehnte gesteckten Ziele korrespondieren mit jenen eines Wechsels zu grüner Wirtschaft". Der politische Wille ist da, daran ließ man auch beim Klimagipfel in Lima keinen Zweifel. Russland hat dort seine 2009 vom damaligen Präsidenten Dmitri Medwedew ausgegebenen Ziele bestätigt: Im Vergleich zu 1990 sollen die CO2-Emissionen um 25 Prozent verringert werden. Biokraftstoffe sollen dabei eine größere Rolle spielen, ebenso die Verwertung von Abfällen aus der Land- und Forstwirtschaft sowie der Lebensmittelindustrie.

Unabhängig von klimapolitischen Zielsetzungen beteuert die Regierung in Moskau auch ihr Interesse an der Verbesserung der niedrigen Energieeffizienz und an der Diversifizierung der auf Öl und Gas fixierten russischen Wirtschaft. Georgij Safonow, Direktor des Zentrums für Umweltwirtschaft an der Higher School of Economics in Moskau, hält in der genannten Analyse die russische Klimapolitik aber eher für einen Papiertiger: "Praktisch wird sie nicht umgesetzt." Selbst für den Analysten Agibalow liegt auf der Hand, dass Russland seine Ziele in Sachen Energieeffizienz und Energiemix zu hoch gesteckt hat.

Keine einfache Lösung

Minus 40 Prozent bei der Energieintensität (dem Energieverbrauch in Relation zur Wirtschaftskraft, Anm.) bis 2020 "war zu optimistisch". Auch der Anteil der Erneuerbaren im Gesamtenergiemix werde dann wohl nicht wie geplant bei 4,5 Prozent liegen. Eine schnelle Lösung ist laut dem Ökonomen Astrow nicht in Sicht: "Das Know-how für neue Technologie muss aus dem Ausland kommen." In der derzeitigen Situation sei damit nicht zu rechnen: "Direktinvestitionen aus dem Westen anzuziehen ist jetzt ziemlich unrealistisch." (Regina Bruckner, DER STANDARD, 5.2.2015)